Nimmermehr!

„Die Störche beim Dorfzwockel“ – eine Besprechung im Ton Marcel Reich-Ranickis *(fiktiv)*

Das StĂŒck. Ein Kleintheater auf dem Dorfplatz: zwei Störche geraten in Verdacht, einander zu „ghosten“, wĂ€hrend ein bedĂ€chtiger Dorfzwockel mit Laterne und Buch zur Besonnenheit rĂ€t. Das ist kein Geniestreich, aber eine handwerklich saubere Miniatur, eine lehrstĂŒckhafte Parabel in vier Szenen – samt Besetzung, BĂŒhnenbild und einem Epilog, der das Gemeinte (glĂŒcklicherweise) nicht verschweigt. „Abwesenheit ist nie nichts.“: Dieser Satz ist das Motto, die These, der PrĂŒfstein. (Nimmermehr!)

Form und Ökonomie. Der Text ist knapp, rhythmisch gesetzt, mit klaren EinsĂ€tzen (Vogelklappern, Waage, Schornstein). Die Szenen wechseln rasch; jede bringt eine prĂ€zise Wendung: Verdacht → ErklĂ€rung → Einsicht → Versöhnung. Man merkt die Tradition des didaktischen Spiels, das nicht vorfĂŒhrt, sondern instruiert. Der Sprecher rahmt wie im Radio, das Ensemble bleibt sparsam – ein Verdienst, denn die Moral wird nicht ĂŒberinszeniert. (Nimmermehr!)

Die Idee. Der Witz ist einfach und, ja, richtig: Nicht jedes Schweigen ist Bosheit; oft ist es „nur der Wind im Draht“. Das ist schön gesagt und treffend gezeigt: Störche auf den Schalen einer Waage – die eine Seite schwer vor KrĂ€nkung, die andere vor TechnikglĂ€ubigkeit. Es ist eine anschauliche Metapher, die die Gegenwart kennt: die kleine Misere des Dauer-Online-Seins, in dem jedes Nicht-Antworten sofort als Affront gelesen wird. (Nimmermehr!)

Die Sprache. Der Text bleibt heiter nĂŒchtern. Man vernimmt keine prĂ€tentiösen Begriffswolken, keine psychologischen Überladungen. Stattdessen: kurze SĂ€tze, kleine Einsprengsel von Komik („Klappercodewort“), ein fĂŒrs Genre seltener, wohltuender Imperativ der Vernunft: „PrĂŒfe die Leitung, ehe du dein Herz beschuldigst.“ – Das ist, nebenbei, Literatur im alten, guten Sinne: ein Satz, der bleibt, weil er nĂŒtzt. (Nimmermehr!)

Die Figuren. Storch A ist die Empfindlichkeit, Storch B die Ausflucht, der Dorfzwockel das Gewissen. Diese Dreifaltigkeit funktioniert. Der Dorfzwockel ist kein Messias – er ist ein ChorfĂŒhrer der Einsicht. Er mahnt nicht, er ordnet. Und da, wo heute oft der digitale Pranger steht, bietet er ein Minimum an Höflichkeit an: das „angekĂŒndigte Schweigen“. Das ist ein vorzĂŒglicher Gedanke, zivilisatorisch und dramatisch. (Nimmermehr!)

Das Bild. Die begleitende Illustration – ein Dorfplatz unter psychedelischem Himmel, die Waage im Zentrum, umgeben von staunenden Figuren; Gespensterchen am Schornstein, das Schild „Abwesenheit ist nie nichts“ – ĂŒberfĂŒhrt den Text in einen grell-komischen Bildraum. Sie ist turbulent, ja, aber nie beliebig: Die Technik-Spukgestalten machen die Pointe sichtbar, die Waage macht sie messbar. Das ist didaktisch und dionysisch zugleich, also genau das, was ein gutes BĂŒhnenplakat sein sollte.

EinwĂ€nde. Man könnte einwenden, die Parabel sei zu glatt, die Versöhnung zu eilig. Ja, gewiss – aber das StĂŒck will nicht die Tragödie der KommunikationsabbrĂŒche sein, sondern die kleine Kunst der Entgiftung. Und dafĂŒr genĂŒgt, was hier geleistet wird: ein Modellfall, wiederholbar, ein Leitfaden in vier Schritten.

Fazit. Ein kleines LehrstĂŒck ĂŒber die Sorge der Interpretation im digitalen Alltag: mit Maß, mit Humor, mit einer Maxime, die man sich notieren darf. Wer kĂŒnftig schweigt, zeichne ein Zeichen; wer zĂŒrnt, prĂŒfe erst den Draht. Ein nĂŒtzliches, freundliches StĂŒck – und eine hĂŒbsch grelle Bildtafel, die den moralischen Satz unĂŒbersehbar macht. (Nimmermehr!)

Belegstelle / Quelle: „KleintheaterstĂŒck: Die Störche beim Dorfzwockel“ (Text und Illustration), Nimmermehr! – abgerufen am heutigen Tag. (Nimmermehr!)

Hinweis: Fiktive StilĂŒbung im Ton Reich-Ranickis; Besprechung des verlinkten Beitrags samt zugehöriger Illustration.