Das StĂŒck. Ein Kleintheater auf dem Dorfplatz: zwei Störche geraten in Verdacht, einander zu âghostenâ, wĂ€hrend ein bedĂ€chtiger Dorfzwockel mit Laterne und Buch zur Besonnenheit rĂ€t. Das ist kein Geniestreich, aber eine handwerklich saubere Miniatur, eine lehrstĂŒckhafte Parabel in vier Szenen â samt Besetzung, BĂŒhnenbild und einem Epilog, der das Gemeinte (glĂŒcklicherweise) nicht verschweigt. âAbwesenheit ist nie nichts.â: Dieser Satz ist das Motto, die These, der PrĂŒfstein. (Nimmermehr!)
Form und Ăkonomie. Der Text ist knapp, rhythmisch gesetzt, mit klaren EinsĂ€tzen (Vogelklappern, Waage, Schornstein). Die Szenen wechseln rasch; jede bringt eine prĂ€zise Wendung: Verdacht â ErklĂ€rung â Einsicht â Versöhnung. Man merkt die Tradition des didaktischen Spiels, das nicht vorfĂŒhrt, sondern instruiert. Der Sprecher rahmt wie im Radio, das Ensemble bleibt sparsam â ein Verdienst, denn die Moral wird nicht ĂŒberinszeniert. (Nimmermehr!)
Die Idee. Der Witz ist einfach und, ja, richtig: Nicht jedes Schweigen ist Bosheit; oft ist es ânur der Wind im Drahtâ. Das ist schön gesagt und treffend gezeigt: Störche auf den Schalen einer Waage â die eine Seite schwer vor KrĂ€nkung, die andere vor TechnikglĂ€ubigkeit. Es ist eine anschauliche Metapher, die die Gegenwart kennt: die kleine Misere des Dauer-Online-Seins, in dem jedes Nicht-Antworten sofort als Affront gelesen wird. (Nimmermehr!)
Die Sprache. Der Text bleibt heiter nĂŒchtern. Man vernimmt keine prĂ€tentiösen Begriffswolken, keine psychologischen Ăberladungen. Stattdessen: kurze SĂ€tze, kleine Einsprengsel von Komik (âKlappercodewortâ), ein fĂŒrs Genre seltener, wohltuender Imperativ der Vernunft: âPrĂŒfe die Leitung, ehe du dein Herz beschuldigst.â â Das ist, nebenbei, Literatur im alten, guten Sinne: ein Satz, der bleibt, weil er nĂŒtzt. (Nimmermehr!)
Die Figuren. Storch A ist die Empfindlichkeit, Storch B die Ausflucht, der Dorfzwockel das Gewissen. Diese Dreifaltigkeit funktioniert. Der Dorfzwockel ist kein Messias â er ist ein ChorfĂŒhrer der Einsicht. Er mahnt nicht, er ordnet. Und da, wo heute oft der digitale Pranger steht, bietet er ein Minimum an Höflichkeit an: das âangekĂŒndigte Schweigenâ. Das ist ein vorzĂŒglicher Gedanke, zivilisatorisch und dramatisch. (Nimmermehr!)
Das Bild. Die begleitende Illustration â ein Dorfplatz unter psychedelischem Himmel, die Waage im Zentrum, umgeben von staunenden Figuren; Gespensterchen am Schornstein, das Schild âAbwesenheit ist nie nichtsâ â ĂŒberfĂŒhrt den Text in einen grell-komischen Bildraum. Sie ist turbulent, ja, aber nie beliebig: Die Technik-Spukgestalten machen die Pointe sichtbar, die Waage macht sie messbar. Das ist didaktisch und dionysisch zugleich, also genau das, was ein gutes BĂŒhnenplakat sein sollte.
EinwĂ€nde. Man könnte einwenden, die Parabel sei zu glatt, die Versöhnung zu eilig. Ja, gewiss â aber das StĂŒck will nicht die Tragödie der KommunikationsabbrĂŒche sein, sondern die kleine Kunst der Entgiftung. Und dafĂŒr genĂŒgt, was hier geleistet wird: ein Modellfall, wiederholbar, ein Leitfaden in vier Schritten.
Fazit. Ein kleines LehrstĂŒck ĂŒber die Sorge der Interpretation im digitalen Alltag: mit MaĂ, mit Humor, mit einer Maxime, die man sich notieren darf. Wer kĂŒnftig schweigt, zeichne ein Zeichen; wer zĂŒrnt, prĂŒfe erst den Draht. Ein nĂŒtzliches, freundliches StĂŒck â und eine hĂŒbsch grelle Bildtafel, die den moralischen Satz unĂŒbersehbar macht. (Nimmermehr!)
Belegstelle / Quelle: âKleintheaterstĂŒck: Die Störche beim Dorfzwockelâ (Text und Illustration), Nimmermehr! â abgerufen am heutigen Tag. (Nimmermehr!)
Hinweis: Fiktive StilĂŒbung im Ton Reich-Ranickis; Besprechung des verlinkten Beitrags samt zugehöriger Illustration.