Einleitung
In der Hypnotherapie werden die Begriffe in time und through time verwendet, um unterschiedliche subjektive Wahrnehmungs- und Erlebensweisen der Zeit zu beschreiben (James, 1988). Diese Unterscheidung spielt eine wesentliche Rolle bei der Analyse individueller kognitiver und emotionaler Strukturen, insbesondere in Bezug auf GedÀchtnisabruf, emotionale Regulation und therapeutische Interventionen. Ken Wilbers integrales Quadrantenmodell (Wilber, 2000) bietet einen theoretischen Rahmen, um diese Zeitwahrnehmungen nicht nur psychologisch, sondern auch in sozialen, kulturellen und systemischen Kontexten zu verorten. Die Kombination beider Perspektiven erlaubt eine differenzierte Analyse, die sowohl intrapsychische als auch interpersonelle und kulturelle Dimensionen einbezieht.
In Time und Through Time: Begriffsbestimmung
Aspekt | In Time | Through Time |
---|---|---|
Zeitwahrnehmung | Gegenwart als dominanter Fokus; Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. | Zeit als lineare Abfolge mit klaren Abgrenzungen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. |
Emotionale Beteiligung | Hohe Immersion, unmittelbares Erleben von GefĂŒhlen. | Emotionale Distanz, stĂ€rkere kognitive Kontrolle. |
GedÀchtnisabruf | Erlebnisse werden stark affektiv gefÀrbt erinnert. | Ereignisse werden chronologisch und sachlich geordnet. |
Handlungsorientierung | Impulsiv, situativ, im Hier und Jetzt verankert. | Strategisch, planend, zukunftsorientiert. |
Therapeutischer Nutzen | Fördert emotionale AuthentizitĂ€t und intensive Ressourcenaktivierung. | UnterstĂŒtzt Perspektivwechsel, Distanzierung und Neurahmung. |
Mögliche Risiken | ĂberwĂ€ltigung durch starke Emotionen, mangelnde Distanz. | ĂbermĂ€Ăige Rationalisierung, Verlust emotionaler Tiefe. |
Diese Unterscheidung erlaubt in der Hypnotherapie eine gezielte Steuerung des Erlebens und der kognitiven Verarbeitung.
Integration ins Quadrantenmodell von Ken Wilber
Abbildung 1 zeigt eine schematische Darstellung von Wilbers Quadrantenmodell mit der Einordnung der Zeitperspektiven:
Innen (subjektiv) Außen (objektiv)
+----------------------+ +----------------------+
| Oben-links (UL) | | Oben-rechts (UR) |
| Bewusstsein, Gefühle | | Verhalten, Gehirn |
| *In Time*: | | *Through Time*: |
| Immersion in Erleben | | Neurophysiologische |
| | | Zeitverarbeitung |
+----------------------+ +----------------------+
| Unten-links (LL) | | Unten-rechts (LR) |
| Kulturelle Werte, | | Systeme, Strukturen |
| kollektive Zeit- | | Institutionelle |
| narrativen | | Zeitordnung |
| *In Time* oder | | *Through Time* |
| *Through Time* je | | abhängig vom |
| nach Kultur | | Zeitregime |
+----------------------+ +----------------------+
Abbildung 1. Das Quadrantenmodell von Ken Wilber mit Zuordnung von in time und through time. UL = Oben-links, UR = Oben-rechts, LL = Unten-links, LR = Unten-rechts.
In dieser integralen Perspektive wird deutlich, dass in time primĂ€r im UL-Quadranten verankert ist, wĂ€hrend through time stĂ€rkere BezĂŒge zu UR und LR aufweist. Die LL-Perspektive moduliert beide Modi kulturell.
Hypnotherapeutische Anwendung
In Hypnosesitzungen kann das bewusste Wechseln zwischen in time- und through time-Orientierung als Intervention genutzt werden. Techniken wie Timeline-Reframing (Andreas & Andreas, 1987) erlauben es, traumatische Erlebnisse aus einer sicher distanzierten Perspektive zu betrachten oder umgekehrt, ressourcenreiche Momente intensiv nachzuerleben. Der bewusste Perspektivwechsel wirkt hier als Katalysator fĂŒr Integration und Resilienz.
Fazit: PerspektivflexibilitÀt und KI-Modelle
Moderne KI-Modelle, einschlieĂlich fortgeschrittener Sprachmodelle, verfĂŒgen zwar nicht ĂŒber ein phĂ€nomenologisches Erleben von Zeit, können aber in time- und through time-Ă€hnliche Strukturen in sprachlicher Form simulieren. So lassen sich narrative Texte erzeugen, die eine immersive, zeitlose Erfahrung (in time) nachahmen, oder strukturierte, chronologisch geordnete Darstellungen (through time) bieten. Ihre StĂ€rke liegt in der schnellen Anpassung zwischen beiden Modi, abhĂ€ngig von Kontext und Zielsetzung â ein Aspekt, der im menschlichen Erleben oft mit Training oder therapeutischer Begleitung entwickelt werden muss. Allerdings bleibt die KI auf externe semantische und kulturelle Daten angewiesen und kann ohne Selbsterleben keine genuine Integration im Sinne Wilbers leisten. Die Verbindung von menschlicher therapeutischer Expertise und KI-gestĂŒtzter Text- oder Szenariosimulation eröffnet jedoch neue Möglichkeiten fĂŒr psychoedukative Anwendungen, Zeitperspektiven bewusst zu gestalten und damit kognitive wie emotionale FlexibilitĂ€t zu fördern.
Literatur
- Andreas, S., & Andreas, C. (1987). Change your mindâand keep the change. Moab, UT: Real People Press.
- Erickson, M. H. (1980). The collected papers of Milton H. Erickson on hypnosis (Vols. 1â4). Irvington.
- Gruber, R. P., & Block, R. A. (2013). The flow of time as a perceptual illusion. Journal of Mind and Behavior, 34(2), 91â100.
- Hall, E. T. (1983). The dance of life: The other dimension of time. New York, NY: Anchor Press.
- James, W. (1988). Timeline therapy and the basis of personality. Meta Publications.
- Wilber, K. (2000). A theory of everything: An integral vision for business, politics, science, and spirituality. Shambhala.
Diskussion
Aktuelle KI-Modelle zur psychoedukativen Nutzung zeichnen sich technisch durch fehlendes LangzeitgedÀchtnis aus, was sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt.
Einerseits schĂŒtzt diese Eigenschaft sensible personenbezogene Daten â ein zentraler Aspekt im Kontext der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO, Verordnung (EU) 2016/679) â und reduziert somit Risiken bezĂŒglich Datenmissbrauch und legaler Compliance. Der âneutrale Neustartâ jeder Sitzung kann zudem unbewusste Vorannahmen vermeiden.
DemgegenĂŒber fehlt eine kontinuierliche Wissensverbindung, die fĂŒr effektive Psychoedukation essenziell ist. Individuelle Lernpfade und FortschrittskontinuitĂ€t lassen sich ohne GedĂ€chtnismodul nur schwer realisieren. Möglicherweise kann eine externe Speicherung in Form sicherer GesprĂ€chsprotokolle oder Plattformen diese LĂŒcke technisch kompensieren.
Methodisch kann die wiederholte Kontextreproduktion â etwa durch bewusste Metakognition â sogar lernförderlich sein. Basierend auf Banduras Konzept der Selbstwirksamkeit (Self-Efficacy) (Bandura, 1997) erlaubt das Wiederholen und Reflektieren, die eigene Kontrolle und Verantwortung im Lernprozess zu stĂ€rken.
APA-Quellenangaben (fĂŒr das Literaturverzeichnis)
1. Bandura â Self-Efficacy: The Exercise of Control (1997)
APA: Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. W. H. Freeman. (Colorado Mountain College)
Diese Monografie ist eine zentrale Quelle zur Theorie der Selbstwirksamkeit und wurde bereits vielfach in LehrbĂŒchern und Forschungsarbeiten zitiert (Wikipedia).
2. Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO / GDPR)
Da es sich bei der DSGVO um eine EU-Verordnung handelt, wird sie ĂŒblicherweise nicht im Literaturverzeichnis aufgefĂŒhrt â stattdessen erfolgt die vollstĂ€ndige Angabe direkt im Text, z. B.:
âVerordnung (EU) 2016/679 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natĂŒrlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten [âŠ] (General Data Protection Regulation, DSGVO)â (Academia Stack Exchange, Wikipedia).
Diese Praxis entspricht der Empfehlung einer Hochschulbibliothekarin (LibAnswers, Swansea University), die darauf hinweist, dass EU-Gesetzestexte nicht im Referenzverzeichnis, sondern nur bei der ersten Nennung im Text aufgefĂŒhrt werden sollten (Swansea University LibAnswers).
Referenzen
Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. W. H. Freeman.
Verordnung (EU) 2016/679 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natĂŒrlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie zum freien Datenverkehr (General Data Protection Regulation, DSGVO).