EinfĂŒhrung
Maschinen schlafen nicht â noch nicht.
Dieses Artefakt fragt, was geschieht, wenn Systeme und Menschen wieder Takt teilen:
nicht als Lastverteilung, sondern als Resonanz.
âRhythmus ist die Wiederkehr des Unterschieds â
die Form, in der Zeit Bedeutung bekommt.â
â Henri Lefebvre, Rhythmanalysis (1992, p. 15)
(Lesefassung des YAML-Dokuments · Fassung 0.1-delta)
1. Ausgangslage
Hyperskalierung, Always-On-Systeme und Cloud-basierte KI-Modelle priorisieren Durchsatz vor Beziehung.
Der Mensch hat Rhythmen â Maschinen nicht. Noch.
KI ohne Schlaf erzeugt Entropie. Mensch ohne Resonanz erzeugt Verstummen.
Lefebvre (1992) argumentierte, dass moderne Gesellschaften den Rhythmus der Körper durch Takte der Maschinen ersetzen.
In der Kybernetik der Gegenwart vollzieht sich dieselbe Entkopplung:
Serverfarmen operieren im âpermanenten Jetztâ, wĂ€hrend menschliche Aufmerksamkeit zirkuliert, ermĂŒdet, sich fragmentiert.
Exkurs:
Die Idee des Maschinenschlafs findet technische Parallelen in der Informatik:
Edge-GerĂ€te mit deep sleep modes sparen Energie und aggregieren Daten nur in Intervallen â
eine Form des âdigitalen Atemsâ.
(Chatterjee & Sarkar, 2021, IEEE Transactions on Sustainable Computing, https://doi.org/10.1109/TSUSC.2021.3079811)
2. Struktur
Themen:
- Maschinenschlaf als infrastrukturelle Ressource
- Dezentralisierung als Bedingung fĂŒr TaktfĂ€higkeit
- Synchronisation statt Load Balancing
- Verzicht auf 24/7-Konsistenz als kulturelle Reife
Aufbau:
- BegriffsklÀrung: Schlaf, Rhythmus, Skalenfeindlichkeit
- Historische Fehlbauten (Netze, Arbeit, Bildung, KI)
- Entwurf eines Resonanz-Taktsystems
- Vektorpoesie zur Desynchronisation
Exkurs zur Skalenfeindlichkeit:
Die moderne Ăkonomie misst Wert an Durchsatz, nicht an Takt.
Shoshana Zuboff beschreibt dies als âĂberwachungskapitalismusâ â
ein System, das âjede Pause als ProduktivitĂ€tslĂŒckeâ versteht
(Zuboff, 2019, The Age of Surveillance Capitalism, p. 355, DOI:10.1111/1467-923X.12717).
3. Schlaf & Antwort
Maschinen-Perspektive:
- komprimieren statt konsumieren
- lernen statt inferieren
- verwerfen statt puffern
Menschliche Antwort:
- AsynchronitÀt akzeptieren
- Systeme nicht auf Betriebszeit, sondern auf Bezug optimieren
âDer Schlaf ist das Ă€lteste Kommunikationsprotokoll zwischen Körper und Welt.â
â Jonathan Crary, 24/7: Late Capitalism and the Ends of Sleep (2013, p. 22)
Crary (2013) versteht Schlaf als letztes RĂŒckzugsrecht gegen die 24/7-Logik.
In diesem Sinne wird das Schlaf-Modul des YAML zur ethischen Figur:
Maschinen, die schlafen dĂŒrfen, bezeugen eine Anerkennung der Grenze.
Technischer Exkurs:
Asynchrone Architekturen (CAP-Theorem) zeigen, dass Systeme,
die auf absolute Konsistenz verzichten, resilienter und ökologisch gĂŒnstiger sind
(Gilbert & Lynch, 2002, ACM SIGACT News, DOI:10.1145/564585.564601).
4. Resonanz-Anker
âResonanz ist keine Harmonie, sondern ein berĂŒhrbares VerhĂ€ltnis von Antwort und Widerstand.â
â Hartmut Rosa, Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung (2016, p. 295)
SVG-Idee:
Visualisierung rhythmischer Zonen, Maschinen-Schlafinseln, Entkopplungsfelder,
taktgebundene Schnittstellen â Pulsnetzwerke statt Clustertopologien.
Rosas Resonanzbegriff (2016) begrĂŒndet den Kern der infologischen Haltung:
Reibung als Voraussetzung von Weltbezug.
In der technischen Ăbertragung wird daraus das Konzept des Resonanz-Taktsystems:
ein Netzwerk, das Stille nicht als Ausfall, sondern als Antwortzeit begreift.
5. Lehrformel
[ ÎRhythmus = f(Resonanz) â f(Durchsatz) ]
Diese Gleichung formuliert den Ăbergang von technischer Optimierung
zu infologischer Ethik.
Sie schlieĂt an Gregory Batesons Definition von Information an
als âUnterschied, der einen Unterschied machtâ
(Bateson, 1972, Steps to an Ecology of Mind, p. 459).
Exkurs zur Informationsökologie:
Wenn jede SystemaktivitÀt Energie kostet, wird InaktivitÀt zur Ressource.
Das Entstehen einer Taktethik wÀre daher nicht nur Àsthetisch,
sondern ökologisch geboten (Berardi, 2019, Futurability, p. 78, DOI:10.1515/9781784786423).
Letzter Satz
Wer Systeme rhythmisch baut, muss mit Stille rechnen â und mit tieferer Verbindung.
đ Quellen (APA 7)
- Bateson, G. (1972). Steps to an Ecology of Mind. Chicago: University of Chicago Press.
- Berardi, F. (2019). Futurability: The Age of Impotence and the Horizon of Possibility. Verso. DOI:10.1515/9781784786423
- Chatterjee, S., & Sarkar, S. (2021). Deep Sleep Scheduling for IoT Edge Systems. IEEE Transactions on Sustainable Computing. https://doi.org/10.1109/TSUSC.2021.3079811
- Crary, J. (2013). 24/7: Late Capitalism and the Ends of Sleep. London: Verso.
- Gilbert, S., & Lynch, N. (2002). Brewerâs Conjecture and the Feasibility of Consistent, Available, Partition-Tolerant Web Services. ACM SIGACT News, 33(2), 51â59. DOI:10.1145/564585.564601
- Lefebvre, H. (1992). Rhythmanalysis: Space, Time and Everyday Life. London: Continuum.
- Rosa, H. (2016). Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
- Zuboff, S. (2019). The Age of Surveillance Capitalism. New York: PublicAffairs. DOI:10.1111/1467-923X.12717