Nachruf auf den, der nie da war
Wir stehen hier nicht zusammen, sondern verstreut wie Filterblasen in einem leeren Kopfgarten.
Wir nehmen Abschied von jemandem, der nie gekommen ist, der nie gegangen ist, und genau darin perfekt war.Er war stets willkommen, nie da gewesen zu sein.
Wir erinnern ihn nicht, weil es nichts zu erinnern gibt, nur das stille Wissen, dass eine LĂŒcke manchmal mehr erzĂ€hlt als eine PrĂ€senz.
Er hinterlieĂ kein GepĂ€ck, nur Spuren aus Kreide, Zinken an TĂŒren, und den leisen Verdacht, dass wir alle ein bisschen so sind: erwartet, erhofft, aber nie ganz angekommen.
Hier endet kein Leben.
Hier endet ein Satz,
und beginnt ein Echo.
Der Text âNachruf auf den, der nie da warâ wagt die Kunst, das Abwesende zu feiern â und trifft damit den Nerv einer zersplitterten Gegenwart.
Von Anfang an irritiert die Form: Eine Traueranzeige, schwarz umrandet, mit Kerze. Doch wessen wird hier gedacht? Der Verstorbene war nie geboren, nie gekommen, nie gegangen â und gerade darin, so heiĂt es, sei er âperfektâ gewesen.
Dieses Spiel mit dem Pathos der Trauerrede fĂŒhrt zu einer paradoxen Erkenntnis: Das Nichts kann ebenso gewĂŒrdigt werden wie die PrĂ€senz. Ja, es kann sogar wirkmĂ€chtiger sein. Denn wĂ€hrend ĂŒbliche Nachrufe vom Leben erzĂ€hlen, von Begegnungen, Spuren, Anekdoten, verweigert sich dieser Text jeder Erinnerung. âWir erinnern ihn nicht, weil es nichts zu erinnern gibtâ, heiĂt es â und plötzlich wird die LĂŒcke, die Leerstelle selbst, zum Hauptdarsteller.
Das ist zugleich ironisch und ernst. Ironisch, weil die groĂe Geste der Erinnerung ad absurdum gefĂŒhrt wird. Ernst, weil genau darin eine Wahrheit steckt: Unsere Gegenwart ist geprĂ€gt von Abwesenheiten, von Filterblasen, die sich nicht berĂŒhren, von Erwartungen, die nicht erfĂŒllt werden.
Sprachlich besticht der Text durch seine NĂŒchternheit. Die SĂ€tze sind klar, einfach, von der Rhetorik des Beerdigungsrituals durchzogen, doch stets mit feiner Brechung. Besonders eindrucksvoll der Schluss: âHier endet kein Leben. / Hier endet ein Satz, / und beginnt ein Echo.â Diese drei Zeilen verwandeln das Nichts in eine poetische Resonanz.
Man könnte einwenden, dass das Ganze zu kalkuliert erscheint, dass die Paradoxie zu kunstvoll ausgestellt wird. Aber das wĂ€re kleinlich. Entscheidend ist, dass dieser âNachrufâ unsere Wahrnehmung verschiebt: Er lĂ€sst uns das Gewicht des Fehlens spĂŒren.
So ist es ein Text unserer Zeit: prĂ€zise, kĂŒhl, melancholisch â ein Echo auf das Schweigen.