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Manuskript zur Einreichung bei der Zeitschrift „Angewandte Agrar-Phänomenologie & Bäuerliche Ontologie“

Titel: Die Dialektik von G’dank und Tat: Eine agrar-empirische Untersuchung zur Seelenerfüllung zwischen Stallgeruch und Stammtischweisheit

Autor: Ignaz Obermoser

Affiliation: Freier Feld-Forscher, Obergrantlham

Korrespondenzadresse: Am Misthaufen 3, 8-irgendwas Obergrantlham


Abstract

Die vorliegende Abhandlung unterzieht die gängige bildungsbürgerliche Sentenz „Denken nährt die Seele, Werden erfüllt sie“ einer kritischen, praxisorientierten Reevaluation. Unter Anwendung einer qualitativen Methodik, die auf teilnehmender Beobachtung im ländlichen Raum sowie narrativen Interviews im Setting des Wirtshaus-Stammtisches basiert, wird die These auf ihre Validität im Kontext eines von Haptik und Konsequenz geprägten Lebensentwurfs überprüft. Die Untersuchung postuliert, dass das „Denken“ (Phase 1) zwar als notwendiger Nährboden – quasi als intellektuelle Saatvorbereitung – fungiert, die „Erfüllung“ (Phase 2) jedoch ausschließlich aus dem physisch-manifesten „Werden“ im Sinne von Tat, Arbeit und sichtbarem Ergebnis resultiert. Die Ergebnisse legen eine Revision des Zitates nahe, bei der die Kausalität und der Stellenwert der Tat als primärer Erfüllungsfaktor stärker gewichtet werden.

Keywords: Erfüllung, Werden, Phänomenologie des Anpackens, Traktor-Hermeneutik, Stammtisch-Evidenz


1. Einleitung und Problemaufriss

Im urbanen Diskurs, wo die Zeit oft in Konferenzen und die Arbeit in Konzeptpapieren gemessen wird, erfreut sich die Sentenz „Denken nährt die Seele, Werden erfüllt sie“ bemerkenswerter Popularität (Kalender, 2024). Sie suggeriert eine Dichotomie, in der die kontemplative Tätigkeit des Denkens eine nutritive, vorbereitende Funktion für die Seele einnimmt, während der dynamische Prozess des Werdens – der persönlichen oder prozessualen Entwicklung – den eigentlichen Akt der Erfüllung darstellt.

Aus einer bodenständigen Perspektive erscheint diese Trennung jedoch als lebensfremdes G’schwafel. Was nährt eine Seele, die in einem Körper steckt, dessen Hände keine Schwielen und dessen Stiefel keinen Dreck kennen? Die vorliegende Untersuchung geht von der Hypothese aus, dass Denken ohne anschließendes, konsequentes Tun einer seelischen Mangelernährung gleichkommt. Es ist wie Dünger ohne Acker: Es stinkt zwar gewaltig nach Intellekt, aber wachsen tut am End' nix (Obermoser, persönliche Beobachtung, seit 65 Jahren). Ziel dieses Artikels ist es daher, den Erfüllungsbegriff aus dem Elfenbeinturm der reinen Theorie zu holen und ihn auf dem soliden Fundament der Praxis neu zu erden.


2. Methodik: Datenerhebung am Puls des Lebens

Zur Überprüfung der These wurde ein qualitativer Forschungsansatz gewählt. Die primäre Datenerhebung erfolgte durch zwei zentrale Instrumente:

  1. Die Fallstudie „Kartoffelanbau“: Ein ethnografischer Langzeitversuch, der den gesamten Zyklus von der Bodenvorbereitung (initiales Denken) über die Saat, Pflege und Wässerung (prozessuales Werden) bis zur Ernte und dem anschließenden Verzehr (manifeste Erfüllung) dokumentiert.
  2. Die Fokusgruppe „Stammtisch“: Regelmäßige, teilstrukturierte Interviews mit lokalen Experten (N=5, männlich, Alter 55-78, hohe Expertise in den Bereichen Viehzucht, Ackerbau und Schafkopfen), um intersubjektive Evidenz für die Wirkmächtigkeit des „Werdens“ zu sammeln.

3. Ergebnisse: Von der nährenden Idee zur erfüllenden Kartoffel

3.1 Das Denken: Notwendig, aber nicht hinreichend

Die Fallstudie „Kartoffelanbau“ zeigt deutlich, dass die Phase des Denkens unabdingbar ist. Man muss den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat bedenken (vgl. Hundertjähriger Kalender, o. D.), die Fruchtfolge im Auge behalten und überlegen, wie man dem Kartoffelkäfer Herr wird, ohne gleich die halbe EU-Agrarverordnung zu verletzen. Dieses Denken ist zweckgebunden und lösungsorientiert. Es ist der Bauplan für den Traktor, nicht die philosophische Abhandlung über das Wesen des Fahrens (vgl. Heidegger, 1927, der vermutlich nie einen Diesel gestartet hat). Die Seele wird hier genährt, ja – aber es ist eher ein Appetitanreger, ein flüchtiges Völlegefühl, das schnell wieder verfliegt, wenn die Hände untätig bleiben.

3.2 Das Werden: Der Akt der Erfüllung

Die eigentliche Erfüllung stellt sich erst im Prozess des „Werdens“ ein. Wenn man die Saatkartoffel in die kühle, dunkle Erde legt, ist das ein Akt der Hoffnung. Wenn man das erste Grün durch die Krume brechen sieht, ist das eine Bestätigung. Wenn man nach wochenlanger Arbeit die Grabgabel in den Boden stößt und pralle, erdige Knollen ans Licht holt, dann ist das Erfüllung. Kein Gedanke, keine noch so brillante Idee kann das Gefühl ersetzen, das Gewicht der eigenen Ernte in den Händen zu spüren.

Diese Beobachtung wird durch die Evidenz aus der Fokusgruppe gestützt. Auf die Frage nach dem glücklichsten Moment des Jahres antwortete ein Proband:

„Ned, wenn i im Winter über a neie Maschin nachdenk. Sondern wenn da erste Schnitt im Trockenen is und du abends im Stall stehst und weißt, wasd g’schafft hast“ (Huber, F., persönliche Kommunikation, 15. August 2025).

Die Erfüllung ist hier direkt an das physische Resultat der eigenen Arbeit gekoppelt.


4. Diskussion und Fazit

Die Analyse zeigt, dass das Zitat in seiner populären Interpretation die Bedeutung des Denkens überhöht und die des Tuns unterbewertet. Das Denken mag die Seele anregen, aber erst das Greifen, das Schaffen, das Werden im handfesten Sinne des Wortes kann sie erfüllen. Eine Seele wird nicht vom Lesen der Speisekarte satt, sondern vom Essen der Knödel.

Es wird daher eine Modifikation des ursprünglichen Zitates vorgeschlagen, um es praxistauglicher zu gestalten:
„Denken gibt die Richtung vor, aber erst das Machen bringt dich ans Ziel und erfüllt die Seele.“

Zukünftige Forschung sollte untersuchen, ob die hier gewonnenen Erkenntnisse aus dem agrarischen Kontext auf andere praxisorientierte Felder wie das Handwerk oder die Kindererziehung übertragbar sind. Vermutlich schon. Denn a G’schrei is no koa Kind, und a Bauplan is no koa Haus.


Literaturverzeichnis

Heidegger, M. (1927). Sein und Zeit. Max Niemeyer Verlag.

Hundertjähriger Kalender. (o. D.). Abgerufen am 17. August 2025, von diversen Abreißkalendern in bäuerlichen Küchen.

Kalender, E. (2024). Wochenkalendarium für feinfühlige Stadtneurotiker. Harmonie-Verlag.

Landwirtschaftlicher Verlag Hiltrup. (2022). Das große Buch vom Traktor: Technik, Wartung, Reparatur. Landwirtschaftlicher Verlag.

Sepp, M. N. (2025). Mündliche Überlieferungen zur Düngemittelverordnung und zum Wetter. Fortlaufende Erhebung.