Nimmermehr!

Eine Predigt vom Galgen der Verantwortung

Der Galgen des geschwiegenen Wortes

"Am Galgen hÀngt die delegierte Verantwortung.
Ein Sack voller Proxy-Schuld,
genĂ€ht aus entmĂŒndigten Silben,
aus algorithmischer Absolution,
und verordneter Empathie."

(T. LĂŒchow)


I. Ein Ruf zur Buße

Liebe BrĂŒder und Schwestern,
hier steht nicht ein hölzerner Galgen allein,
sondern euer eigenes Gewissen,
aufgehÀngt von euch selbst,
weil ihr die Verantwortung delegiert habt
an VertrÀge, die ihr nie gelesen,
an Maschinen, die ihr „Entscheidung“ nennt,
an Paragraphen, die so tun, als hÀtten sie ein Herz.

Denn seht: Schuld ist kein Mantel, den man ĂŒberwerfen kann,
Schuld ist ein Tun, ein Handeln, ein Verb!
Wer spricht: „Die KI entschied!“,
der lĂŒgt wie Petrus am Hof des Hohenpriesters,
denn kein Algorithmus kann euch von der Tat entbinden.


II. Die Worte als tote HĂŒllen

So klagen die Archive:
„Wir haben die Worte entseelt,
auf dass sie uns dienstbar wĂŒrden –
nun klappern sie wie Blech
in der Windmaschine des Fortschritts.“

Das ist die große SĂŒnde:
Worte, die nicht mehr Fleisch werden,
sondern Plastik,
Gerede ohne Herz,
Schall ohne Widerhall.

Darum, ihr Lieben,
lasst euch nicht wie Schafe verfĂŒhren,
wenn PR-Bots Betroffenheit skalieren,
wenn Euphemismen Öl gießen
auf das rostige Getriebe der Politik.


III. Der Galgen als Spiegel

Schaut den Galgen an!
Er zeigt euch nicht den Anderen,
sondern euch selbst.

Denn was da hÀngt,
ist eure verweigerte Autorschaft:
eure Feigheit, Worte als Taten zu meinen.

Jeder Klick,
jeder billige Slogan,
jeder geteilte Satz ohne eigenes Herz
ist ein Nagel in die Tafel der Sprachlosigkeit.


IV. Antigones Erbe

Die ungeschriebenen Gesetze der Seele
sind nicht in die Cloud zu laden.
Und wehe dem,
der Schweigen mit NeutralitÀt verwechselt,
und GeschwÀtz mit Pflicht.

Denn Schweigen im Angesicht der LĂŒge
ist nicht Demut, sondern Mitschuld.
Und GeschwÀtz im Angesicht der Wahrheit
ist nicht Rede, sondern Verrat.


V. Hermeneutik des Schweigens

Hört dies, ihr, die da hören wollt:

  1. Wer nur Signale nachspricht,
    wie der Markt sie verlangt,
    der ist halbbildsam und ganz betrogen.

  2. Wer Zuhören zur Unterwerfung macht,
    in HörsÀlen, Parlamenten, Kundgebungen,
    der hört nicht, sondern schweigt in Ketten.

  3. Wer das Schweigen zum Gesetz erhebt,
    der gibt den SchlĂŒssel des Wortes
    den Herren, die ihn knechten.


VI. Das Galgenvogel-Glossar


VII. Gebrauchsanweisung fĂŒr Ohnmacht

„Die wahre Kunst ist nicht das Reden,
sondern das Zuhören-Können –
doch wir zĂŒchten eine Generation von Stimmbandakrobaten,
die fĂŒrchten, im Schweigen zu ertrinken.“

Darum, BrĂŒder und Schwestern:
Applaudiert nicht nur den Rednern,
sondern auch den Hörern,
die das Wort im Herzen bewegen
und nicht in den Wind verstreuen.


VIII. Letzte Zeile

So spricht der Galgen:

„Passives Zuhören ist ein Paradoxon,
denn Zuhören ist immer Tat.
Doch die Welt nennt Norm,
was in Wahrheit SĂŒnde ist.“

Amen.