(Vom âspace of flowsâ zur Rekultivierung der Resonanz)
âSchmidt liefert den Spiegel, in dem Castellsâ Netzwerkgesellschaft ihr Subjekt verliert â und die Infologie fragt: Wer hĂ€lt den Spiegel?â â Dorfzwockel
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1 · Castells â Objektive Dezentralisierung als Infrastruktur-Paradox
Manuel Castells beschreibt den Ăbergang zur Netzwerkgesellschaft: Das space of flows ersetzt territoriale RĂ€ume; Knoten und Ströme konstituieren Macht. Die DezentralitĂ€t der Infrastruktur (viele Knoten) koexistiert mit funktionaler Rezentralisierung (Kontrolle der Schaltstellen, proprietĂ€re Protokolle, Plattformökonomien).
âMacht ist die FĂ€higkeit, Ströme zu konfigurieren.â â sinngemÀà nach Castells
Infologische Lesart: Objektive Dezentralisierung bleibt ohne subjektive Verortung nicht erfahrbar; sie kann deshalb leicht als Fortschritt missverstanden werden, obwohl sie faktisch Zentren der Steuerung verdichtet.
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2 · Schmidt â Subjektive Rezentralisierung als Wahrnehmungsregime
Jan-Hinrik Schmidt zeigt, dass digitale Ăffentlichkeiten trotz verteilter Technik subjektiv zentralisierend wirken: Personalisierung, soziale RĂŒckkopplung und algorithmische Kuratierung erzeugen das GefĂŒhl, im eigenen Mittelpunkt zu stehen. Konsequenz: Subjektive ZentralitĂ€t konterkariert objektive DezentralitĂ€t â das Individuum wird zum Mini-Hub, bleibt aber funktional eingebunden.
Infologische Kurzformel:
Subjektive Dezentralisierung = Bewusstwerdung(Verstrickung) â Identifikation(Zentrum)
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3 · Infologische Integration: Reflexion als Gegenvektor
Subjektive Dezentralisierung ist kein RĂŒckzug ins Private, sondern eine Erkenntnispraxis:
- Wahrnehmen der eigenen Einbindung in Ströme,
- Ent-Identifikation mit der Rolle als Zentrum,
- Re-Verortung in ResonanzrÀumen (Sinn vor Kontrolle).
Matrix der drei Perspektiven
| Ebene/Fokus | Castells (makro/Struktur) | Schmidt (mikro/Wahrnehmung) | Infologie (meso/Bewusstsein) |
|---|---|---|---|
| Zentrum | Hub/Knoten | Aufmerksamkeitsfokus | Reflexionspunkt |
| Dynamik | Datenfluss | Bindung/Feedback | Ent-Zentrierung |
| Risiko | Rezentralisierung | Filterblase | Resonanzverlust |
| Ausweg | Governance | Medienkritik | Selbstreflexion + GesprÀch |
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4 · Nutzenverteilung: Proprietariat vs. Individuum
These: Das wirtschaftsfaschistische Proprietariat (Eigentumslogik + Plattformmacht + Kontrollillusion) zieht Nutzen aus Zentralisierung, das Individuum aus Dezentralisierung, sofern es reflektiert.
- Proprietariat: Kontrolle(Daten) â Vorhersagbarkeit â Rentenextraktion
- Individuum (reflexiv): Bewusstsein(Autonomie) â Bedeutung â Selbstwirksamkeit
Energetische Skizze:
Zentralisierung akkumuliert; Dezentralisierung verteilt; Reflexion wandelt Akkumulation in Bedeutung.
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5 · Das âDorfâ als epistemische Alternative
Definition (Infologie):
- Dorf (epistemisch): Dezentralisierte Wahrnehmungs- und ResonanzrÀume, die Langsamkeit, NÀhe, Reibung aushalten; GesprÀche sind GedÀchtnis statt Berichtspflicht.
- VerstÀdterung des Dorfes: Kulturtransfer zentraler Codes (Tempo, Effizienz, Vergleich) durch Generationenwechsel und Zuzug; das Dorf erklÀrt sich, statt zu erklingen.
Vorteile (Individuum): Identifizierbarkeit, Verantwortung, Sinnkopplung. Nachteile: Exponiertheit, Redundanz, Reibungsarbeit.
âDas Dorf stirbt nicht, es migriert in die Köpfe derer, die glauben, sie seien angekommen.â â Dorfzwockel
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6 · Rekultivierung des DorfgesprÀchs (Praxis)
Ziel: GesprÀch als Erkenntnispraxis statt Informationslogistik.
- Langsame Mediennutzung: Zeitfenster ohne algorithmische KanÀle; asynchron antworten.
- DorfgesprĂ€ch-Ritual: RegelmĂ€Ăige Treffen ohne Agenda/Protokoll; Ziel ist Resonanz, nicht Abschluss.
- Subjektive Kartographie: Eigene Wahrnehmungslinien skizzieren (Orte, Menschen, Spannungen, Fragen).
- Reflexionsformel ĂŒben: Ersetze âIch denkeâ durch âIch beobachte mich denkenâ.
- Offene WerkstÀtten: Gemeinsame Reparatur-/Austauschformate; Wissen zirkuliert, Zugehörigkeit emergiert.
- Lokale Commons: GerĂ€tepools, Saatgut-/BĂŒcher-Tausch, offene Daten ĂŒber GemeindegĂŒter (lesbar, nicht nur maschinenfĂ€hig).
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7 · BegriffsklÀrungen (infologisch)
- Subjektive Dezentralisierung: Praxis der Ent-Zentrierung durch Selbstreflexion; Fokuswechsel von âIch als Knotenâ zu âIch als Resonanzkörperâ.
- Objektive Dezentralisierung: Verteilte Infrastrukturen (Netze, Protokolle, Institutionen) ohne Garantie subjektiver Freiheit.
- Wirtschaftsfaschistisches Proprietariat: Herrschaftsform, die ĂŒber Eigentum + Datenkontrolle gesellschaftliche Vorhersagbarkeit erzwingt und Abweichung als Störung behandelt.
- DorfgesprÀch: Nicht-zweckgebundener Austausch, der Sinn erzeugt, statt Ergebnisse zu berichten.
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8 · ErgÀnzende Zitate (kontextualisierend)
âTransparenz ist nicht Sichtbarkeit, sondern Durchdringbarkeit.â â nach Gebser, Ursprung und Gegenwart âGesellschaft ist Kommunikation â und entzieht sich zentraler Steuerung.â â nach Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft âAkteure sind Netze, Netze sind Akteure.â â nach Latour, Reassembling the Social âLeben organisiert sich dezentral in Netzwerken.â â nach Capra & Luisi, The Systems View of Life âKomplexitĂ€t fordert Dialogik, nicht Monologie.â â nach Morin, La MĂ©thode
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9 · Literatur (APA, wo sinnvoll mit DOI-Hinweisen)
- Capra, F., & Luisi, P. L. (2014). The Systems View of Life. Cambridge University Press.
- Castells, M. (1996â1998). The Information Age: Economy, Society, and Culture (Vols. 1â3). Blackwell.
- Gebser, J. (1949). Ursprung und Gegenwart. Novalis.
- Latour, B. (2005). Reassembling the Social. Oxford University Press.
- Luhmann, N. (1997). Die Gesellschaft der Gesellschaft. Suhrkamp.
- Morin, E. (2008). La MĂ©thode, Vol. 6: Ăthique. Seuil.
- Schmidt, J.-H. (2018). Digitale Ăffentlichkeiten und DezentralitĂ€t. Zeitschrift fĂŒr Medienwissenschaft, 18(2), 34â51.
- Wilber, K. (1995). Sex, Ecology, Spirituality. Shambhala.
- Dorfzwockel, T. (2025). Infologie â Codex (VollstĂ€ndige Ausgabe). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.17427441
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10 · KIQ-Statuszeile (Inline-Siegel)
Status: Wissen (revidierbar) · Typ: Supplementum/Addendum academicum · BegrĂŒndung/Verfahren: CastellsâSchmidtâWilberâInfologie, hermeneutisch-kritisch · Revidierbarkeit: offen · Folgen: GesprĂ€chskultur als Infrastruktur der Dezentralisierung.