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2.3–2.4 Subjektive Dezentralisierung, Nutzenlogiken und DorfgesprĂ€ch

(Vom „space of flows“ zur Rekultivierung der Resonanz)

„Schmidt liefert den Spiegel, in dem Castells’ Netzwerkgesellschaft ihr Subjekt verliert — und die Infologie fragt: Wer hĂ€lt den Spiegel?“ — Dorfzwockel

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1 · Castells → Objektive Dezentralisierung als Infrastruktur-Paradox

Manuel Castells beschreibt den Übergang zur Netzwerkgesellschaft: Das space of flows ersetzt territoriale RĂ€ume; Knoten und Ströme konstituieren Macht. Die DezentralitĂ€t der Infrastruktur (viele Knoten) koexistiert mit funktionaler Rezentralisierung (Kontrolle der Schaltstellen, proprietĂ€re Protokolle, Plattformökonomien).

„Macht ist die FĂ€higkeit, Ströme zu konfigurieren.“ — sinngemĂ€ĂŸ nach Castells

Infologische Lesart: Objektive Dezentralisierung bleibt ohne subjektive Verortung nicht erfahrbar; sie kann deshalb leicht als Fortschritt missverstanden werden, obwohl sie faktisch Zentren der Steuerung verdichtet.

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2 · Schmidt → Subjektive Rezentralisierung als Wahrnehmungsregime

Jan-Hinrik Schmidt zeigt, dass digitale Öffentlichkeiten trotz verteilter Technik subjektiv zentralisierend wirken: Personalisierung, soziale RĂŒckkopplung und algorithmische Kuratierung erzeugen das GefĂŒhl, im eigenen Mittelpunkt zu stehen. Konsequenz: Subjektive ZentralitĂ€t konterkariert objektive DezentralitĂ€t — das Individuum wird zum Mini-Hub, bleibt aber funktional eingebunden.

Infologische Kurzformel:

Subjektive Dezentralisierung = Bewusstwerdung(Verstrickung) − Identifikation(Zentrum)

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3 · Infologische Integration: Reflexion als Gegenvektor

Subjektive Dezentralisierung ist kein RĂŒckzug ins Private, sondern eine Erkenntnispraxis:

  1. Wahrnehmen der eigenen Einbindung in Ströme,
  2. Ent-Identifikation mit der Rolle als Zentrum,
  3. Re-Verortung in ResonanzrÀumen (Sinn vor Kontrolle).

Matrix der drei Perspektiven

Ebene/Fokus Castells (makro/Struktur) Schmidt (mikro/Wahrnehmung) Infologie (meso/Bewusstsein)
Zentrum Hub/Knoten Aufmerksamkeitsfokus Reflexionspunkt
Dynamik Datenfluss Bindung/Feedback Ent-Zentrierung
Risiko Rezentralisierung Filterblase Resonanzverlust
Ausweg Governance Medienkritik Selbstreflexion + GesprÀch

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4 · Nutzenverteilung: Proprietariat vs. Individuum

These: Das wirtschaftsfaschistische Proprietariat (Eigentumslogik + Plattformmacht + Kontrollillusion) zieht Nutzen aus Zentralisierung, das Individuum aus Dezentralisierung, sofern es reflektiert.

Energetische Skizze:

Zentralisierung akkumuliert; Dezentralisierung verteilt; Reflexion wandelt Akkumulation in Bedeutung.

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5 · Das „Dorf“ als epistemische Alternative

Definition (Infologie):

Vorteile (Individuum): Identifizierbarkeit, Verantwortung, Sinnkopplung. Nachteile: Exponiertheit, Redundanz, Reibungsarbeit.

„Das Dorf stirbt nicht, es migriert in die Köpfe derer, die glauben, sie seien angekommen.“ — Dorfzwockel

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6 · Rekultivierung des DorfgesprÀchs (Praxis)

Ziel: GesprÀch als Erkenntnispraxis statt Informationslogistik.

  1. Langsame Mediennutzung: Zeitfenster ohne algorithmische KanÀle; asynchron antworten.
  2. DorfgesprĂ€ch-Ritual: RegelmĂ€ĂŸige Treffen ohne Agenda/Protokoll; Ziel ist Resonanz, nicht Abschluss.
  3. Subjektive Kartographie: Eigene Wahrnehmungslinien skizzieren (Orte, Menschen, Spannungen, Fragen).
  4. Reflexionsformel ĂŒben: Ersetze „Ich denke“ durch „Ich beobachte mich denken“.
  5. Offene WerkstÀtten: Gemeinsame Reparatur-/Austauschformate; Wissen zirkuliert, Zugehörigkeit emergiert.
  6. Lokale Commons: GerĂ€tepools, Saatgut-/BĂŒcher-Tausch, offene Daten ĂŒber GemeindegĂŒter (lesbar, nicht nur maschinenfĂ€hig).

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7 · BegriffsklÀrungen (infologisch)

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8 · ErgÀnzende Zitate (kontextualisierend)

„Transparenz ist nicht Sichtbarkeit, sondern Durchdringbarkeit.“ — nach Gebser, Ursprung und Gegenwart „Gesellschaft ist Kommunikation — und entzieht sich zentraler Steuerung.“ — nach Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft „Akteure sind Netze, Netze sind Akteure.“ — nach Latour, Reassembling the Social „Leben organisiert sich dezentral in Netzwerken.“ — nach Capra & Luisi, The Systems View of Life „KomplexitĂ€t fordert Dialogik, nicht Monologie.“ — nach Morin, La MĂ©thode

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9 · Literatur (APA, wo sinnvoll mit DOI-Hinweisen)

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10 · KIQ-Statuszeile (Inline-Siegel)

Status: Wissen (revidierbar) · Typ: Supplementum/Addendum academicum · BegrĂŒndung/Verfahren: Castells–Schmidt–Wilber–Infologie, hermeneutisch-kritisch · Revidierbarkeit: offen · Folgen: GesprĂ€chskultur als Infrastruktur der Dezentralisierung.

KIQ ‱ Orange Status: Wissen (revidierbar) BegrĂŒndung/Verfahren: Castells–Schmidt–Wilber–Infologie; hermeneutisch-kritische Integration Folgen: GesprĂ€chskultur als Infrastruktur der Dezentralisierung KIQ = Mensch / (Maschine + Last) × 100 — indikativ