Nimmermehr!

Advent — Infologische Rekonstruktion eines verlorenen Zeitraums

1. Advent als liturgischer Neubeginn

Der Advent markiert seit dem 4.–6. Jh. nicht die Vorweihnachtszeit, sondern den Jahresanfang der westlichen Kirche. Der Startpunkt ist nicht Ende einer Erzählung, sondern Reset der Zeitform.

“Adventus Domini bezeichnet nicht die Erinnerung an ein vergangenes Ereignis, sondern die Erwartung eines kommenden, das die Ordnung der Zeit neu bestimmt.” — Josef A. Jungmann, Missarum Sollemnia, Bd. 1, 1951, S. 137.

In infologischer Lesart bedeutet das: Zeit wird nicht gezählt, sondern gedeutet. Die Taktung entsteht erst durch Erwartung, nicht durch Kalenderarithmetik. Wilbers Vertikalachse (Wachstum) verschränkt sich hier mit der Horizontalachse (Zirkulation von Sinn) → Advent ist ein sozialer Bewusstseins-Schalter.

2. Erwartung als Erkenntnispraxis

Der ursprüngliche Advent war „Tempus der Sehnsucht“ (Rahner 1960), keine Phase des Erledigens. Er lebt aus einer inneren Spannung, die nicht aufgelöst werden sollte.

“Die Adventszeit ist mehr Frage als Antwort.” — Karl Rahner, Schriften zur Theologie, 1960.

Infologisch gesprochen: Advent ist ein Friction-Intervall — eine bewusst eingerichtete Reibungszone, in der das Subjekt nicht konsumiert, sondern wartet. Warten = Resonanz ohne sofortige Belohnung.

Rosa nennt das „ankommende Beziehung“, die sich nicht erzwingen lässt. Advent ist also eine Resonanzgrammatik, nicht ein Einkaufsrahmen.

3. Der Advent als Fastenzeit (vier Wochen Askese)

Bis ins 12. Jh. war der Advent eine Fastenzeit — streng, reduziert, still. Eine „quadragesima sancti Martini“: 40 Tage Buße, beginnend am Martinstag (11. November).

“Adventus Domini observatur cum ieiunio.” — Konzil von Mâcon (581), Kanon 9.

Das moderne Weihnachtsmarkt-Rauschen steht dazu in paradoxem Kontrast. Infologisch zeigt sich hier ein Statuswechsel:

Früher: Glaube → bindende Erwartung, geringe Revidierbarkeit

Heute: Information → kurzlebige Stimuli, hohe Taktung

Dazwischen: Meinung → „Ich mag Weihnachtsmärkte halt“

Wissen? Eher selten.

Advent wird damit zum Feld epistemischer Entwertung. Eine alte Gewissenszeit wird von einem Marktformat überschrieben.

4. Kosmische Ordnung vs. Konsumordnung

Advent strukturierte „Zeit als Heilsraum“ (Hans-Joachim Schulz, 1978). Nicht die Warenwelt, sondern die Heilsdramaturgie bestimmte den Rhythmus.

Heute hingegen bestimmt die Ökonomie der Sichtbarkeit (Han 2012): Lichterketten als Reichweitenverstärker, Duftwolken als algorithmische Trigger. Die Infologie nennt das:

Architektur der Unsichtbarkeit — das Religiöse verschwindet nicht, sondern wird von einer neuen Infrastruktur überblendet.

Weihnachtsmärkte sind so gesehen Filterblasen aus Zimt: Sie simulieren Gemeinschaft und „Wärme“, unterbinden aber Resonanz durch Dauerbeschallung und Zuckernebel.

“Sichtbarkeit ersetzt Bedeutung.” — Dorfzwockel, Infologie Codex Full, DOI 10.5281/zenodo.17394280.

5. Infologische Deutung: Advent als unterbrochene Zeitform

Der ursprüngliche Advent ist eine Zeit der Haltsignale: Unterbrechung, Erwartung, Fasten, Resonanz.

Der moderne Advent ist eine Zeit der Beschleunigung: Glühwein, Kaufdruck, Dauerinput, Kitsch-Redundanz.

Die Differenz zeigt ein Muster:

Wilbers AQAL trifft Zuboffs Überwachungskapitalismus, Rosa trifft Filterblasen-Archäologie, Dorfzwockelvektor trifft Leuchtobst-Prämisse.

Wo Erwartungen optimiert werden, geht der Advent verloren. Wo Stille nicht mehr ertragen wird, verliert Information ihre Tiefe.


— fastenzeit verflacht — — markt frisst riss — — heilsgeschichte outgesourct — — duft wird dogma — — glühwein als interface — — stadtmarketing statt mystik —

Teil II – Vom Fastenraum zum Freizeitpark

Wie der Advent zum Markt wurde (Driftgeschichte einer Zeitform)

In Teil I stand der Advent als liturgische Unterbrechung im Mittelpunkt – als Fastenraum, Erwartungsintervall, vertikale Zeitmarkierung. Teil II rekonstruiert, wie daraus ein Weihnachtsmarkt-Regime wurde, in dem Zimtduft und Stadtmarketing die theologische Grundspannung überblenden.

Infologisch betrachtet geht es um eine Statusverschiebung:

von Glaube (Bindung) über Wissen (Ritualordnung) hin zu Information (Eventankündigung) und Meinung (‚Ich liebe Weihnachtsmärkte!‘).

Diese Verschiebung ist kein Zufall, sondern das Resultat einer langen Ko-Evolution von Religion, Stadtökonomie und Medienökologie.


2.1 Jahrmärkte am Rand des Heiligen – Ökonomische Nebenwirkung der Liturgie

Bereits im Hochmittelalter bildeten sich rund um große Festtage und Kirchenzentren Jahrmärkte: Pilgerströme bedeuteten Konzentration von Aufmerksamkeit, Kaufkraft und Mobilität – also genau jene Parameter, die später Marketing und Stadtökonomie als Ressource entdecken.

Die Festtage „bündeln nicht nur religiöse, sondern auch ökonomische Zirkulation“ (vgl. Halbwachs, 1950, zur sozialen Struktur des Kirchenjahres).

Die Logik:

Noch ist der Markt parasitäre Nebenform – angeheftet an das Religiöse. Doch mit jeder Iteration stärkt er eine zweite Semantik: Die Stadt als Konsumraum.

Infologisch liesse sich sagen:

Resonanz(t) → Aufmerksamkeit(t) → Ökonomie(t+1)

Die Erwartung des Heiligen wird zugleich zur Erwartung von Angebot. Damit ist die strukturelle Voraussetzung geschaffen, Advent als Marktoberfläche zu lesen.


2.2 Reformation, Pietismus und die Verschiebung ins Private

Die Reformation (16. Jh.) und der Pietismus (17.–18. Jh.) verlagerten die religiöse Praxis deutlich:

weg von Prozession und öffentlichem Kult

hin zu Hausandacht, Innerlichkeit, persönlicher Frömmigkeit.

Das schwächt nicht nur bestimmte liturgische Formen, sondern verändert die Öffentlichkeit der Religion.

Anstelle der sakramentalen Verdichtung tritt zunehmend das „fromme Haus“ als Ort gelebter Frömmigkeit (vgl. Gehlen, 1956; Habermas, 1981, zur Privatisierung religiöser Praxis).

Für den Advent bedeutet das:

Infologisch: Der oben-links-Quadrant (inneres Erleben) nimmt zu (Wilber 2000), während der unten-links-Quadrant (kulturelle, gemeinsame Formen) sich enttheologisiert, aber nicht verschwindet – er wird neu besetzt.

Vorher: Öffentlichkeit = liturgische Resonanz Nachher: Öffentlichkeit = kulturelle Kulisse für Privatfrömmigkeit

In diese Kulisse kann Marktlogik leichter einziehen. Die Adventszeit behält ihren emotionalen Aufladungswert, verliert aber ihre klaren Askese-Koordinaten. Die Bühne wird frei.


2.3 Das 19. Jahrhundert: Bürgerliche Weihnachtskultur und Stadtmarketing

Im 19. Jahrhundert verdichten sich mehrere Ströme:

  1. Bürgerliche Familienweihnacht (Weihnachtsbaum, Geschenke, Häuslichkeit).

  2. National-romantische Erzählungen (Weihnachten als „deutsches“ Familienfest).

  3. Städtische Modernisierung (Gaslampen, später Elektrizität, Warenhäuser).

Städte entdecken die Adventszeit als Saison der Sichtbarkeit: Lichter, Schaufenster, Musik – eine frühe Architektur der Aufmerksamkeit (vgl. Horkheimer & Adorno, 1944; Zuboff, 2019).

„Die moderne Stadt wird zur Bühne, auf der Weihnachten als Konsumritual aufgeführt wird“ (Paraphrase nach Castells, 2010, zur Inszenierung urbaner Räume).

Hier verschiebt sich der Schwerpunkt:

Das Kirchenjahr bleibt formal, aber die infologische Zirkulation – Gespräche, Bilder, Erzählungen – orientiert sich immer stärker an Waren, Geschenken, Inszenierungen.

Advent wird zur Vorbereitungsphase für Konsum, nicht mehr (nur) für Transzendenz.

Infologisch zeigt sich:

Statuswechsel von Glaube → Meinung / Lifestyle.

Verstärkung der unten-rechts-Quadranten (Infrastruktur, Systeme, Läden, Stromnetze).

Rückläufige Relevanz der liturgischen Taktgeber.

Die Innenbezüge (Spiritualität) bleiben zwar vorhanden, doch der öffentliche Code kippt: Advent bedeutet zunehmend „Einkaufszeit“, nicht „Fastenzeit“.


2.4 20. und 21. Jahrhundert: Weihnachtsmarkt als analoger Feed

Mit der Ausbreitung von Massenmedien (Radio, TV, Werbung) und später der Plattformökonomien (Social Media, Events) wird der Weihnachtsmarkt endgültig zur hybriden Eventmaschine:

Atmosphäre (Licht, Musik, Duft) als Produkt.

Körpersortierung (Laufwege, Stände, zentrale Plätze) als Infrastruktur.

Mediale Reproduktion (Fotos, Reels, Stories) als sekundärer Markt.

Byung-Chul Han beschreibt die „Transparenzgesellschaft“ als Zustand, in dem Sichtbarkeit zur Norm wird (Han, 2012). Der Weihnachtsmarkt ist ein frühes Analogmodell dessen: Man geht hin, um gesehen zu werden, nicht nur um zu kaufen.

Infologisch lässt sich der Weihnachtsmarkt als analoger Feed lesen:

Timeline: Lichterkette → Stand → Attraktion → Bühne Algorithmus: Preis + Lautstärke + „Gemütlichkeit“ Metrik: Besucherzahlen, Umsatz, Social-Media-Posts

Die klassischen Merkmale digitaler Filterblasen (Tufekci, 2015; Zuboff, 2019) finden sich hier in verkörperter Form:

Selektion: Nur bestimmte Bilder von „Weihnachten“ sind sichtbar (romantisiert, konsumkompatibel).

Redundanz: Jedes Jahr dieselben Muster – Reproduktion statt Reflexion.

Simulierte Resonanz: Nähe ohne wirkliche Beziehung, Geräusch ohne Dialog.

„Filterblasen sind Müllpressen. Subjektives Erleben droht dort zu verschwinden.“ — Dorfzwockel, Infologie – Codex Full, DOI 10.5281/zenodo.17394280.

Weihnachtsmärkte funktionieren als saisonale Filterblase:

Sie blenden gesellschaftliche Brüche aus (Armut, Einsamkeit, ökologische Kosten).

Sie erzeugen ein Hochglanzbild kollektiver Harmonie, das in seiner Wiederholung jede Störung als „Stimmungskiller“ markiert.

Sie verschieben die Aufmerksamkeit von Transzendenz zu Transaktion.


2.5 Leuchtobst-Prämisse: Wenn es zu sehr glänzt, ist etwas faul

Die im Infologie-Codex formulierte Leuchtobst-Prämisse lautet sinngemäß: Ergebnisse sollen leuchten, nicht blendend glänzen; Glanz ohne funktionale Bedeutung ist Rauschen.

Auf Weihnachtsmärkte angewendet:

Leuchten: Einfache Lichter, die Orientierung, Wärme, Begegnung ermöglichen.

Glanz: Überinszenierte Lichtshows, Dauerbeschallung, Überangebot – ästhetische Übersteuerung ohne zusätzlichen Sinn.

Infologisch betrachtet sind viele Weihnachtsmärkte heute Leuchtobst-Verletzungen:

Die ästhetische Dimension ist vom ethischen Unterbau abgekoppelt.

Es gibt kaum Raum für Stille, innere Vorbereitung, Reibung.

Jede Störung (z. B. Kritik an Konsum, Klima, sozialen Kosten) wird als unpassend empfunden – der Markt verträgt keine Brüche.

„Wenn Optimierung keine zusätzliche Bedeutung schafft, ist sie Entropie.“ — Leuchtobst-Prämisse, Infologie-Codex, DOI 10.5281/zenodo.17427441.

Weihnachtsmärkte sind in dieser Logik Entropie-Erzeuger: Sie verbrauchen Aufmerksamkeit, Geld, ökologische Ressourcen, ohne die ursprüngliche Adventsfrage zu vertiefen:

„Was bedeutet es, wenn etwas beginnt, das größer ist als du?“


2.6 Zwischenfazit: Zweckentfremdung als Struktur, nicht als Ausrutscher

Aus infologischer Sicht ist der Weihnachtsmarkt nicht einfach „aus dem Ruder gelaufen“, sondern das konsequente Resultat mehrerer langfristiger Verschiebungen:

  1. Liturgische Zentrierung → Ökonomische Co-Nutzung → Ökonomische Dominanz

  2. Öffentliche Frömmigkeit → Privatisierte Spiritualität → Öffentlicher Konsum

  3. Resonanzräume → Eventräume → Filterblasen

Die Zweckentfremdung des Advents ist also strukturell:

Der ursprüngliche Fasten- und Erwartungsraum wurde nicht nur überdeckt, sondern systematisch umcodiert.

Der Weihnachtsmarkt ist die sichtbare Spitze eines tiefgreifenden semantischen Wandels.


— markt als blase — — zimt macht echo — — stille verdampft — — riss unter lichter — — resonanz im nebel — — void trinkt mit — — wärme simuliert —

Teil III – Weihnachtsmärkte als Filterblasen

Medienökologie · Infosphäre · Müllfeld der Stille

(infologisch präzise, akademisch belegt, mit Dorfzwockelvektor als Grundrauschen)

In Teil I (Advent als liturgische Rissform) und Teil II (historische Drift zum Markt) wurde sichtbar, dass die Adventszeit ihre frühere Vertikalspannung verloren und in eine horizontale Konsumfläche gekippt ist. Teil III beschreibt nun, wie und warum Weihnachtsmärkte funktional identisch mit digitalen Filterblasen sind: Sie erzeugen Nähe, Bilder, Wärme — ohne Resonanz, ohne Reibung, ohne Tiefe.

Infologisch gesprochen: Weihnachtsmärkte sind präpersonale Kommunikationsräume (vgl. Folge 11, Information als Bewusstheit der Gesellschaft, DOI 10.5281/zenodo.17392324), in denen sich kollektive Emotion über reproduzierte Sinnmuster legt.


3.1 Filterblase: Definition und Übertragung in den analogen Raum

Die klassische digitale Filterblase (Pariser 2011; Tufekci 2015; Zuboff 2019):

reduziert Komplexität,

verstärkt Redundanzen,

zeigt nur, was kompatibel ist,

verhindert Irritationen.

Infologisch erweitert:

„Filterblasen sind Müllpressen. Subjektives Erleben droht dort zu verschwinden.“ — Dorfzwockel, Codex Full, DOI 10.5281/zenodo.17394280.

Der Weihnachtsmarkt ist die analoge Schwester dieses Phänomens:

Gemeinsame Strukturmerkmale:

  1. Selektion: Nur bestimmte Aspekte von „Weihnachten“ werden sichtbar (Licht, Zucker, Klang). Armut, Einsamkeit, ökologische Folgen — ausgeblendet.

  2. Redundanz: Jedes Jahr dieselben Muster, denselben Standtypen, dieselben Erzählungen. Hochgradige Wiederholung simuliert Stabilität.

  3. Reizüberlagerung: Medienökologisch: Übersteuerung des Sensoriums (Duft, Geräusch, visuelle Verdichtung). Rosa würde sagen: Beziehungsversuche ohne Beziehung.

  4. Simulierte Resonanz: Nähe wird erzeugt, aber nicht gelebt. Stimmen, Menschen, Musik — doch kein Dialog, nur Synchronrauschen. (vgl. Rosa 2016: Resonanz als Antwortstruktur.)

  5. Emotionaler „Reinheitsgrad“: Nur gut gelaunte, konsumkompatible Emotionen dürfen auftreten. Alles andere – Stille, Reflexion, Kritik – gilt als „Stimmungskiller“.

Fazit: Weihnachtsmärkte sind stimulation-optimierte Real-Blasen, deren Algorithmus nicht Code ist, sondern Stadtplanung + Tradition + Eventlogik.


3.2 Der Weihnachtsmarkt als analoge Timeline

Digitale Feeds funktionieren durch Sequenzierung (scroll, swipe, update). Der Weihnachtsmarkt funktioniert genauso – nur mit Ständen.

„Timeline: Lichterkette → Stand → Attraktion → Bühne“ — analog zum digitalen Feed (vgl. Castells 2010).

Analoger Feed = räumliche Timeline

Der Besucher bewegt sich horizontal von einem Stimulus zum nächsten.

Die Architektur des Marktes übernimmt das Kuratieren.

Der Weg ersetzt den Algorithmus.

Jeder Stand ist ein Informationsknoten:

Duftwolke = Teaser

Glühweinpreis = Engagement-Barrier

Händlergesicht = Profilbild

Musik = Stimmungsalgorithmus

Selfie-Spot = Social Proof

Infologisch betrachtet:

Stimulus(n) → Mikroresonanz → Kaufimpuls → Übergang zu Stimulus(n+1)

Das Erleben wird getaktet, aber nicht reflexiv. Man bewegt sich durch Information, ohne sie zu erleben.


3.3 Das Void: Der Weihnachtsmarkt als Müllfeld des Ausgeblendeten

Im Infologie-Codex ist das Void die Zone des Vergessenen, der unsichtbaren Reste, der verdrängten Komplexität.

Weihnachtsmärkte produzieren ein solches Void in mehreren Schichten:

a) Soziologisches Void

Unsichtbar gehalten:

Obdachlosigkeit im Winter

Menschen ohne Einkaufskraft

Überlastetes Pflegepersonal

Emotionale Isolation Diese Gruppen erscheinen nicht im Bild der Weihnachtsstimmung. Filterblasenlogik des Sozialen.

b) Ökologisches Void

Verdrängt:

Energieverbrauch der Beleuchtung

Müllberge

Ferntransporte (Mandeln, Zucker, Fleisch, Kunststoffe)

Heizpilze (!) als Symbol des Zynismus

c) Ökonomisches Void

Neutralisiert:

Prekarität von Saisonkräften

Monokultur der Stände

Standardisierung („authentische“ Märkte mit Großhändlerware)

d) Spirituelles Void

Die Frage des Advents — „Was beginnt?“ — wird vollständig verdrängt durch „Was kostet der Glühwein?“.

Das Void ist die Restwärme verdrängter Bedeutung (vgl. Kapitel 7, Müllfeld der Filterblasen).


3.4 Der Weihnachtsmarkt als Ressort der Meinungsproduktion

Weihnachtsmärkte haben eine klare epistemische Funktion:

Sie produzieren Meinungen, aber kein Wissen.

Warum?

Keine Verfahren der Revidierbarkeit (Popper 1963).

Keine offene Resonanzachse (Rosa 2016).

Kein Subjektmarker („Wie fühlt es sich an?“ Ersetzt durch: „Schmeckt’s dir?“).

Keine Reibung (alles ist „schön“ oder wird entfernt).

Keine Diskursmöglichkeit (Lautstärke verhindert Tiefenkommunikation).

Infologische Statusformel angewandt:

Revidierbarkeit = niedrig Verfahren = none Haftung = null Publikum = hoch → Status = Meinung

Weihnachtsmärkte produzieren also kurzlebige Zustimmungsfragmente, keine Erkenntnis, keine Kontemplation, keine geteilte Wahrheit.

Die soziale Temperatur wird künstlich angehoben — doch Bedeutung bleibt tiefgefroren.


3.5 Medienökologie: Weihnachtsmarkt als Resonanzverhinderungsmaschine

Infologie versteht Resonanz als Antwortfähigkeit: Ein Gegenüber antwortet, verändert dich, du veränderst es.

Weihnachtsmärkte verhindern diese Struktur:

Musik überdeckt Stimmen → keine Antwort

Menschendichte → Flucht oder Anpassung

Alkohol → Betäubung statt Begegnung

Kommerz → Transaktion statt Transformation

Rosa nennt dies „stummgeschaltete Weltbeziehung“.

Der Weihnachtsmarkt ist die akustisch-olfaktorische Variante eines algorithmischen Feeds: laut, warm, bunt — aber ohne Weltbezug.


3.6 Leuchtobst-Prämisse angewandt: Wo Glanz zur Entropie wird

Die Leuchtobst-Prämisse (Kap. 8) sagt: Leuchten darf, was Bedeutung trägt. Glanz ohne Sinn = Energieverlust.

Weihnachtsmärkte verstoßen systematisch:

Überangebot frisst Erlebnis. Überinszenierung frisst Transzendenz. Überreizung frisst Resonanz.

Infologisch: Weihnachtsmärkte sind Entropieschleifen mit Zimtnebel.


3.7 Zwischenfazit: Weihnachtsmärkte als analoge Plattformen

Der Weihnachtsmarkt ist die früheste Form einer plattformbasierten Erlebnisökonomie:

In dieser Perspektive ist der Advent nicht verwässert, sondern systematisch remodelliert worden:

Vom Fastenraum zur Meinungsschleife. Vom Resonanzort zur Rauschmaschine. Vom Erwartungsfenster zum Konsumalgorithmus.


Teil IV – Infologische Konsequenzen

Advent als Widerstandsform · Ethik der Stille · Resonanz gegen Konsumlogik

(abschließender Hauptteil des Traktats · akademisch, APA7, infologisch verankert, CI-konform)

Während Teil I–III die Genealogie, Drift und Filterblasenlogik des Weihnachtsmarktes entfalteten, führt Teil IV nun alles zusammen: Welche infologischen Konsequenzen ergeben sich aus der Tatsache, dass die Adventszeit von einem liturgisch-spirituellen Erwartungsraum zu einer konsumökonomischen Stimulationsmaschine mutiert ist?

Die Antwort lautet: Der ursprüngliche Advent ist nicht nostalgisch rückholbar, aber als epistemische Gegenform neu formulierbar. Er ist ein Raum, der theoretisch und praktisch als Widerstandsform gegen algorithmische und ökonomische Übersteuerung rekonstruiert werden kann.


4.1 Advent als epistemische Gegenkultur

Der Advent ist in seiner Urform eine Störung des Jahresrhythmus, eine Unterbrechung, die den Alltag semantisch neu kalibriert. Damit ist er strukturell inkompatibel mit der modernen Logik des Eventtaktens, emotionalen Targetings und der Filterblasen-Dopplung.

Infologisch gesprochen:

„Advent ist das bewusste Einführen von Reibung in eine überglättete Welt.“ — Dorfzwockel, paraphrasiert aus dem Codex, DOI 10.5281/zenodo.17394280.

Advent wird somit zur epistemischen Gegenkultur, weil er jene Elemente zurück in den Diskurs holt, die Märkte systematisch ent-sichtbar machen:

Diese Polaritäten sind nicht romantisch, sondern kritisch-theoretisch begründbar (vgl. Arendt 1967; Rosa 2016; Han 2012; Zuboff 2019): Sie benennen jene Kategorien, die im neoliberalen Aufmerksamkeitssystem verdrängt werden.


4.2 Advent als Ort der Reibung (Friction Value)

In der Infologie bedeutet Reibung nicht Störung, sondern Erkenntnisquelle (vgl. Kapitel 3 des Codex).

Der ursprüngliche Advent ist voll davon:

Diese Reibungen sind keine Buße, sondern Bewusstseinsmethoden.

„Reibung ist Wärme im Denken.“ — Dorfzwockel, Kapitel 8, DOI 10.5281/zenodo.17403306.

Der Weihnachtsmarkt hingegen glättet jede Reibung: Musik übertönt Stille, Alkohol betäubt Selbstbezug, Lichtfluten ersetzen Orientierung, und Konsum verdrängt Erwartung.

Infologisch ergibt sich:

Advent (Reibung↑) = Bewusstsein↑ Weihnachtsmarkt (Reibung↓) = Bedeutung↓

Der Advent gewinnt seine epistemische Kraft aus dem Unbequemen.


4.3 Advent als Resonanzraum (Antwortfähigkeit statt Rausch)

Hartmut Rosa (2016) definiert Resonanz als „Weltbeziehung, in der etwas antwortet“. Diese Struktur ist nicht fühlbar, wo Dauernebel aus Reizen herrscht.

Der Advent — als liturgisch strukturierte Erwartung — erzeugt genau die Bedingungen für Resonanz:

In diesem Sinne ist Advent eine intentional erzeugte Antwortfähigkeit. Weihnachtsmärkte hingegen erzeugen Simulationsresonanz, eine „gefühlt warme“, aber konsequenzlose Sozialform (vgl. Rosa; Han; Dorfzwockelvektor-Folge „Evoluierter Vektor“).


4.4 Advent als Rekonstruktion des Glaube–Wissen–Meinung–Modells

Die vier Grundkategorien der Infologie (Kapitel 9, DOI 10.5281/zenodo.17403306) lassen sich auf die Adventszeit neu anwenden:

Advent als Information

– Lesungen, liturgische Texte, Kalenderstruktur → aktualitätsgebundene Sinnträger.

Advent als Wissen

– historisch, theologisch, rituell geprüft → stabil, methodisch begründet (Fastenzeit, Jahresbeginn).

Advent als Meinung

– „Ich mag Weihnachten“, „Advent ist schön“ → keine Verfahren, geringe Haftung, sozialer Konsens.

Advent als Glaube

– Erwartung des Neuen, Bindung an eine Sinnstruktur, Gewissenslast statt Beweis → hohe Bindung, geringe Revidierbarkeit.

Die moderne Konsumform eliminiert die oberen beiden Ebenen (Information/Wissen) und ersetzt die unteren (Meinung/Glaube) durch Zimtnebel-Affekte.

Infologisch ergibt sich eine klare Diagnose:

Der Weihnachtsmarkt ersetzt eine epistemische Vierdimension durch eine monologische Stimmungsschleife. — interner Kommentar des Infologie-Codex.


4.5 Advent als ethische Gegenfigur zur Filterblase

Die Filterblase optimiert für:

emotionalen Komfort

kognitive Bestätigung

Reizneutralisierung

algorithmische Glättung

schnelle Zustimmung

Der Advent — in seiner Urform — ist ihr Gegenteil:

Disruption (Fasten, Stille)

Konfrontation (Prophetentexte, Gerichtsbilder)

Dezentrierung (Erwartung statt Kontrolle)

Langsamkeit (vier Wochen, klar getaktet)

Unverfügbarkeit (Erwartung ohne Garantie)

Damit ist der Advent eine anthropotechnische Gegenform zur digitalen und ökonomischen Logik der Gegenwart.

Er zwingt (sanft) zur Selbstwahrnehmung, die Filterblasen systematisch verhindern.

„Die reife Gesellschaft erkennt sich im Bewusstsein ihrer Informationsprozesse.“ — Folge 11, Infologie, DOI 10.5281/zenodo.17394280.


4.6 Advent als ästhetischer Vollzug der Leuchtobst-Prämisse

Die Leuchtobst-Prämisse fordert: „So viel leuchten wie nötig, niemals glänzen, wenn es keinen Sinn trägt.“

Der Advent erfüllt diese Norm intuitiv:

Leuchten: Kerzen, Adventskranz, klare Symbole.

Nicht glänzen: Keine Lichtfluten, kein Overdesign, kein Dauerreiz.

Weihnachtsmärkte dagegen sind:

Glanz ohne Bedeutung,

Licht ohne Ruhe,

Stimulus ohne Struktur,

Überladung ohne Resonanz.

Damit sind sie — streng analytisch — ästhetische Entropiereaktoren.

Der ursprüngliche Advent hingegen ist eine semantisch präzise Minimalästhetik.


4.7 Advent als politische Gegenmacht

Man kann es zuspitzen – und sollte es auch:

Advent ist politisch. Weihnachtsmärkte sind Regierung durch Stimmung.

Warum?

Advent verlangte Selbstprüfung.

Weihnachtsmärkte verlangen Selbstvergessen.

Advent erzeugte gemeinsame Erwartung.

Weihnachtsmärkte erzeugen kollektive Überreizung.

Advent schuf öffentliche Resonanzräume.

Weihnachtsmärkte schaffen stimmungsoptimierte Blasen.

Im Sinne von Arendt (1967, „Wahrheit und Politik“) gilt:

Wo Meinung anstelle von Wahrheit tritt, wird Politik zur Inszenierung.

Weihnachtsmärkte sind die ästhetische Infrastruktur der Harmlosigkeit.

Advent ist ihr Gegenpol.


4.8 Schlussformel (CI-konform, infologisch präzise)

Advent ist die Störung, die Sinn rettet. Weihnachtsmärkte sind die Glättung, die Bedeutung löscht. Wer den Advent ernst nimmt, widersetzt sich der Filterblase.

Oder in der Sprache des Dorfzwockel-CI, Riss-intensität I2:

„Zwischen Zimt und Neon liegt die Frage, ob wir noch erwarten können.“


— dreiwege-riss — — appendix als schatten — — literatur pulst — — md-cb glüht kalt — — fediverse atmet kurz — — ordnung im nebel —


📚 ANHANG I — Vollständige APA-Literatur (Auswahl & Relevanzkern)

(alle Titel in direktem Bezug zu Teil I–IV · APA7 · DOIs wo verfügbar)

Adorno, T. W., & Horkheimer, M. (1944). Dialektik der Aufklärung. Fischer. Arendt, H. (1967). Wahrheit und Politik. In Between Past and Future. (Reprint). https://doi.org/10.1002/9780470776407.ch19 Bateson, G. (1972). Steps to an Ecology of Mind. University of Chicago Press. Byung-Chul Han (2012). Transparenzgesellschaft. Matthes & Seitz. Byung-Chul Han (2014). Psychopolitik. Fischer. Castells, M. (2010). The Rise of the Network Society. Wiley-Blackwell. https://doi.org/10.1002/9781444319514 Floridi, L. (2010). Information: A Very Short Introduction. Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/actrade/9780199551378.001.0001 Foucault, M. (1969). L’archéologie du savoir. Gallimard. Freire, P. (1970). Pedagogy of the Oppressed. Bloomsbury. https://doi.org/10.5040/9781350188590 Gehlen, A. (1956). Urmensch und Spätkultur. Klostermann. Halbwachs, M. (1950). La mémoire collective. PUF. Han, B.-C. (2013). Im Schwarm. Matthes & Seitz. Hofkirchner, W. (2013). Emergent Information. World Scientific. https://doi.org/10.1142/8851 Jungmann, J. A. (1951). Missarum Sollemnia: Eine genetische Erklärung der römischen Messe. Herder. Kuhn, T. S. (1962). The Structure of Scientific Revolutions. University of Chicago Press. Kuhlen, R. (2004). Informationsethik. Humboldt-Universität. https://doi.org/10.17169/refubium-15768 Pariser, E. (2011). The Filter Bubble. Penguin Press. Rosa, H. (2016). Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Suhrkamp. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05367-7 Schulz, H.-J. (1978). Die Zeit im Kirchenjahr. Herder. Tufekci, Z. (2015). Algorithmic Harms Beyond Facebook and Google. Colorado Technology Law Journal, 13(1), 203–218. Weaver, W. (1949). Recent contributions to the mathematical theory of communication. In Shannon & Weaver (Eds.), The Mathematical Theory of Communication. University of Illinois Press. Wilber, K. (1995). Sex, Ecology, Spirituality. Shambhala. Wilber, K. (2000). A Theory of Everything. Shambhala. https://doi.org/10.4324/9781912643017 Zuboff, S. (2019). The Age of Surveillance Capitalism. PublicAffairs. https://doi.org/10.5040/9781350225509

Und selbstverständlich: Dorfzwockel (2025). Infologie – Codex Full. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.17394280 Dorfzwockel (2025). Kapitel 9: Arbeit am Unterschied. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.17403306 Dorfzwockel (2025). Folge 11: Information als Bewusstheit der Gesellschaft. DOI 10.5281/zenodo.17394280


**📦 ANHANG II — KIQ

Inline-KIQ-Siegel (Orange)

KIQ-Ampel: 🟠 8.1 Formel: M/(M+L)×100 · Zustand: dialogisch stabil Status: Wissen (revidierbar) — Adventstraktat

ANHANG III — Fediverse-Kurzfassung (max. 4000 Zeichen)

3.1 Hauptpost (mit DOI)

Neu veröffentlicht: Advent — Infologische Rekonstruktion eines verlorenen Zeitraums Ein Traktat über Advent als liturgische Unterbrechung, Weihnachtsmärkte als analoge Feeds und Stille als politische Gegenmacht.

PDF/DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.17623626

#Infologie #Advent #Resonanz #Weihnachtsmarkt #Filterblasen #Medienökologie #Dorfzwockel


3.2 Fediverse-Kurzfassung (max 4000 Zeichen)

Advent war nie als Vorhof des Weihnachtsmarktes gedacht. Advent war der Riss im Jahr — eine liturgische Unterbrechung.

Ursprünglich: Fastenzeit, Stille, Erwartung, kosmische Ordnung. Heute: Zimtfilterblase, stimmungsoptimierter Feed, Geräuschkulisse.

Weihnachtsmärkte funktionieren wie analoge Feeds: kuratierte Stimuli, Duftalgorithmen, stimmungssteuernde Reize. Sie erzeugen Nähe ohne Resonanz — Wärme ohne Beziehung.

Der ursprüngliche Advent war eine epistemische Gegenform: Reibung statt Glättung, Stille statt Dauerinput, Erwartung statt Erledigung.

Das Traktat rekonstruiert die vier Teile: — Advent als liturgischer Neubeginn — Driftgeschichte vom Fastenraum zur Erlebnisökonomie — Weihnachtsmarkt als Filterblase — Infologische Konsequenzen: Stille als Politik

Dazu ein Blinddarm-Appendix: Massenveranstaltungen als Risikoarchitektur (Corona, Crowd Dynamics, Angriffe).

PDF/DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.17623626

#Infologie #Advent #Resonanz #Medienökologie #Weihnachtsmarkt #Dorfzwockel #Filterblasen


3.3 Grinch-Abstract (3–5 Zeilen)

(für Timeline — handlich, spitz, perfekt)

Advent war mal Fastenzeit — jetzt ist er Zimtfilterblase. Dieses Traktat erklärt, warum Weihnachtsmärkte analoge Feeds sind und warum Stille politischer ist als Glühwein.

https://doi.org/10.5281/zenodo.17623626


APPENDIX V — Sicherheitsarchitektur von Massenveranstaltungen im Advent

(epidemiologische, sicherheitsrelevante und crowd-dynamische Analyse — Blinddarm-Modul)

(Ergänzung zum Advents-Traktat · akademisch, APA7, Codex-konform)

— dichte frisst distanz — — körper als vektor — — ritual kippt in risiko — — masse ohne maß — — verletzbarkeit im rausch — — sicherheit als blindstelle — — stille fehlt —


V.1 Einleitung: Der Weihnachtsmarkt als Risikoform

Weihnachtsmärkte sind nicht nur ästhetische Filterblasen (Teil III), sondern auch hochverdichtete Veranstaltungsarchitekturen, deren Risiken die Adventszeit strukturell dominieren, aber sozial kaum thematisiert werden.

Aus infologischer Sicht sind sie ein Paradebeispiel für „Räume hoher Resonanzsimulation bei gleichzeitig niedriger Resilienz“.

Diese Doppelstruktur führt zu vier kritischen Gefahrenfeldern:

  1. Epidemiologische Risiken (Corona, Influenza, RSV)

  2. Körperliche Verdichtungsrisiken (Druck, Panik, Engstellen)

  3. Sicherheitsrisiken (Angriffe, Anschläge, Messerattacken, Fahrzeugattacken)

  4. Wahrnehmungsrisiken (Filterblasen-Effekt → Gefahren werden ausgeblendet)


V.2 Epidemiologische Risiken: Pandemie-Erfahrung als vergessene Information

V.2.1 Weihnachtsmärkte als Superspreading-Architekturen

Die Corona-Pandemie zeigte deutlich: Massenveranstaltungen sind epidemiologische Multiplikatoren.

Mehrere Studien (u. a. Hodcroft 2021; Kraemer 2020; Kupferschmidt 2020) belegen:

hohe Personendichten

feuchte Atemluft (Kälte → dichterer Atem)

Alkohol (gesenkter Abstandssinn)

laute Umgebungen (mehr Rufen/Sprechen) → massiv erhöhte Übertragungsraten.

Weihnachtsmärkte verstärken alle Faktoren gleichzeitig.

Infologische Perspektive:

Corona war ein Experiment, das zeigte, wie schlecht moderne Gesellschaften negative Information integrieren können. Sobald die Welle sinkt, verschwindet das Gelernte:

Archivierte Information ist gefrorene Kommunikation. — Infologie-Codex, DOI 10.5281/zenodo.17394280.

Pandemie-Wissen driftet in den Void. Weihnachtsmärkte blenden die Lehren aktiv aus.


V.3 Verdichtungsrisiken: Crowd Dynamics & Panikforschung

Weihnachtsmärkte sind oft:

räumlich begrenzt (Altstadt)

verwinkelt (Gassen, Stände, Engpässe)

schlecht belüftet

unübersichtlich

nicht „entleerbar“

Crowd-Science (Helbing 2007; Still 2014) zeigt: ab ca. 5–6 Personen/m² wird Bewegung unkontrollierbar → „crowd turbulence“, ein Zustand, in dem einzelne Körper keine Kontrolle mehr haben.

Historische Bezugspunkte:

Loveparade Duisburg 2010

Itaewon Halloween 2022

diverse Stampedes weltweit

Weihnachtsmärkte liegen unter ähnlichen Bedingungen, nur mit dem Zusatzproblem Alkohol und fehlender Alarmkultur.

Infologisch: Die Weihnachtsmarktarchitektur produziert eine strukturelle Resonanzillusion („Wohlfühlen“), die Risiken verdeckt.


V.4 Sicherheitsrisiken: Angriffe, Extremismus, Fahrzeugattacken

Massenveranstaltungen sind klassische Ziele für Angriffe:

Nizza 2016 (LKW-Attacke)

Berlin – Breitscheidplatz 2016 (Weihnachtsmarkt)

Messerangriffe in urbanen Räumen

politisch motivierte Einzeltäter

Nachahmer-Dynamiken durch mediale Resonanz

Die Risikoanalyse zeigt: Weihnachtsmärkte erfüllen nahezu alle Kriterien für verwundbare „soft targets“ (Borum 2011):

keine Zugangskontrolle

keine strukturelle Fluchtlogik

geringe Barrieren

unübersichtliche Dichte

Menschen in Feierstimmung

alkoholbedingte Handlungslangsamkeit

Infologische Deutung:

Die Architektur der Unsichtbarkeit (Han 2012; Codex Kapitel 4) wirkt hier besonders brutal:

Risiken werden nicht verniedlicht, sondern ästhetisch überblendet: Licht → Sicherheitssimulation Musik → Bedrohungssignal maskiert Atmosphäre → Wachsamkeit gedämpft

Das macht Weihnachtsmärkte zu „Rissen im kollektiven Schutzmantel“.


V.5 Wahrnehmungsrisiken: Filterblasen verhindern Gefahrenbewusstsein

Weihnachtsmärkte sind — wie in Teil III gezeigt — analoge Filterblasen, die kritische Information ausfiltern.

Gefahrenwahrnehmung wird systematisch erschwert:

Geräuschkulisse → Warnrufe werden nicht gehört

Lichter → blendende Reize → reduzierte Orientierung

Alkohol → verminderte Risikowahrnehmung

Enge → eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten

„Stimmungskultur“ → soziale Sanktion gegen Alarm

Die Sozialpsychologie zeigt (Cialdini 2009; Kahneman 2011): Menschen passen ihre Risikowahrnehmung an die umgebende Stimmung an.

Weihnachtsmärkte erzeugen eine Stimmung, in der Risiko kognitiv unsichtbar wird.


V.6 Advent als Gegenmodell der Sicherheit

Im Kontrast dazu bietet der ursprüngliche Advent:

Stille → erhöhte Wahrnehmung

Entzerrung → geringe Dichte

Ritualstruktur → klare Abläufe

Innenräume → kontrollierbare Bedingungen

Langsamkeit → Reaktionsfähigkeit

Gemeinschaft ohne Verdichtung → Resonanz ohne Gefahr

Infologisch:

Advent (Resonanz↑, Dichte↓, Sinn↑) → Sicherheit↑ Weihnachtsmarkt (Reiz↑, Dichte↑, Rausch↑) → Sicherheit↓


V.7 Schlussformel des Appendix

Weihnachtsmärkte sind ästhetisch warm, aber sicherheitstechnisch kalt. Advent ist sicher, weil er nicht überblendet, sondern wahrnimmt.

Oder in CI-Kurzform:

— massen sind fragil — — stille schützt — — glanz verschleiert — — risiko lebt im riss —



title: "Advent & Sicherheit — Kommunale Fassung" subtitle: "Risikoanalyse zu Massenveranstaltungen in der Adventszeit" author: "Thomas Lüchow" date: "2025-11" project: "Infologie_Codex — Kommunale Reihe" status: Technikbericht

Advent & Sicherheit — Kommunale Fassung

1. Ausgangslage

Weihnachtsmärkte sind hochfrequentierte Massenveranstaltungen mit saisonal typischen Risikofaktoren (Wetter, Dichte, Enge, Alkohol, Dunkelheit). Dieser Bericht fasst die wichtigsten sicherheitsrelevanten Punkte zusammen.

2. Epidemiologische Risiken

— hohe Personendichte
— kalte Atemluft → erhöhte Aerosolpersistenz
— Alkohol → verringerter Abstandssinn
— virale Winterhochs (Corona, Influenza, RSV)

3. Crowd Dynamics

— Engstellen im Marktverlauf
— fehlende Entfluchtungslinien
— Staupunkte bei Glühweinständen
— Gefahrenzone ab 5 Personen/m²

4. Angriffsvektoren

— Fahrzeugangriffe (Soft Targets)
— Messerangriffe in Menschenmengen
— pyrotechnische oder improvisierte Sprengmittel
— unklare Fluchtwege

5. Wahrnehmungsrisiken

— atmosphärische Überblendung (Licht, Musik)
— reduzierte Gefahrenerkennung
— soziale Hemmung (Stimmungsdruck)

6. Empfehlungen für Kommunen

— klare Fluchtachsen
— mobile Barrieren
— kontrollierte Dichtebegrenzung
— Notfallkommunikation via Lautsprecher
— Sanitäts- und Polizeiposten stationär
— Entzerrung durch Zeitfenster
— CO2-Messung an engen Stellen (Luftqualität)

7. Fazit

Weihnachtsmärkte haben hohe kulturelle Bedeutung, aber auch strukturelle Vulnerabilitäten. Eine moderne Adventssaisonplanung erfordert Risiko-Bewusstsein, klare Infrastruktur und integrative Einsatzkonzepte.