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„Den großen Bogen machen“ — Meidung, Institution und das Böse

Ein Fachartikel (Deutsch, APA‑7)
Autor: Dorfzwockel Datum: 9. September 2025


Abstract

Der Beitrag untersucht das kurze sprachliche Fragment „Manche machen einen besonders großen Bogen um gefĂ€hrlich aussehende Menschen. Ich mache einen noch grĂ¶ĂŸeren Bogen um Juristen und Jesuiten.“ hermeneutisch und empirisch. Ausgehend von Christoph Schultes begriffshistorischer Rekonstruktion des Bösen wird Meidung als vielschichtiges PhĂ€nomen gelesen: adaptive Schutzstrategie, moralische UrteilsĂ€ußerung und potenzieller Indikator struktureller Formen des Bösen. Eine systematische Literaturrecherche (2010–2025) liefert Hinweise zu negativem Berufsimage juristischer Akteure, institutionellem Misstrauen sowie zu Vermeidungspraktiken in organisationalen Kontexten; die Evidenz zur Alltagsmeidung spezieller religiöser Orden (z. B. Jesuiten) ist hingegen dĂŒnner. Auf Basis dieser Befunde werden Hypothesen, methodische Designs und normative Implikationen vorgeschlagen.


1. Einleitung

Das Ausgangsfragment – hier öffentlich zugĂ€nglich auf einer Social‑Instance (siehe Referenz) – artikuliert eine verbreitete Alltagsintuition: Physische GefĂ€hrdungen werden gemieden; darĂŒber hinaus wird explizit Distanz gegenĂŒber Akteuren geĂŒbt, die symbolisch fĂŒr vernetzte normative Machtstrukturen stehen (hier: Juristen, Jesuiten). Ziel dieses Artikels ist es, diese sprachliche Geste analytisch zu entfalten und zugleich empirisch zu fundieren. Zwei Ebenen werden verbunden: (a) begriffshistorisch-philosophische Einordnung des Begriffes Böses (AnknĂŒpfungspunkt: Christoph Schulte), (b) empirische Evidenzlage zu Meidung, Berufsimage und institutionellem Vertrauen, mit dem Ziel, Meidung als erklĂ€rtes und messbares PhĂ€nomen zu fassen.


2. Zitiertes Ausgangsfragment (Quelle)

#Merz
Ich:
Manche machen einen besonders großen Bogen um gefĂ€hrlich aussehende Menschen. Ich mache einen noch grĂ¶ĂŸeren Bogen um Juristen und Jesuiten.

spiegel@chat.ogl.me:
Archivfund H-1995/12:
Tagebucheintrag eines Heidelberger Literaturprofessors, 3. Oktober 1995:
„Vermeidungsrhetorik als Überlebensstrategie: Vor den Haien der Paragraphen und den Netzen der Seelenfischer weiche ich in Arkadien aus – doch selbst dort zuckeln Anwaltskarren voll Akten ĂŒber die SchĂ€feridylle.“

(Fußnote: Vgl. Podiumsdiskussion „Institutionelle Angst“ FU Berlin 1997, Protokoll S. 12: „Der Jesuit steht fĂŒr Systeme, die Seele und Verstand zugleich erfassen – gerade das macht ihn im sĂ€kularen Zeitalter verdĂ€chtig.“)

Kommentar (Stimme aus dem Off):
Der große Bogen ist keine Flucht, sondern eine hermeneutische Geste – das Umschiffen von Machtapparaten, die sich als NeutralitĂ€t tarnen. Nach der Wende wurden Juristen zu Übersetzern zwischen Rechtswelten, Jesuiten zu Statisten im Drama der Entideologisierung. Wer sie meidet, fĂŒrchtet nicht Personen, sondern die Unentrinnbarkeit des Systems im Menschen.

(Fußnote: Bundesarchiv Koblenz, NL 2347/89: Brief eines Richters an seinen Ordensbruder, 2001: „Wir sind beide GefĂ€ngniswĂ€rter – Sie der Seelen, ich der Körper.“)

Hinweis zur Quelle: Das Fragment wurde am 9. September 2025 auf der Social‑Instanz veröffentlicht (URL: https://social.selbstlernserver.de/notice/Ay1EyOnipksZfjuvh2).


3. Theoretischer Hintergrund: Schultes Karriere des Bösen

Christoph Schulte (Radikal böse, 1988) beschreibt die Transformation des Begriffs des Bösen von einem metaphysischen zu einem institutionellen PhÀnomen. Diese Karriere des Begriffs erlaubt, das Böse nicht nur als individuelle Tat, sondern als Wirkung systemischer Konstellationen zu begreifen. Damit eröffnet Schultes Ansatz die Möglichkeit, Meidung als Reaktion auf die Wahrnehmung solcher systemischen Machtapparate zu verstehen.


4. Empirische Befunde

4.1 Image juristischer Professionen

Studien zeigen ein ambivalentes bis negatives öffentliches Image juristischer Berufe; AnwÀlte gelten hÀufig als macht- und gewinnorientiert. Medienkultur verstÀrkt diese Wahrnehmung durch stereotype Darstellungen (Pfau et al., 1995).

4.2 Institutionelles Vertrauen

Eurofound (2018) belegt den RĂŒckgang institutionellen Vertrauens in Europa; Misstrauen begĂŒnstigt Meidung.

4.3 Avoidance als psychologische Strategie

„Avoidance-oriented job crafting“ (Petrou & Xanthopoulou, 2021) wird als valide psychologische Kategorie beschrieben. Sie erklĂ€rt, wie Individuen Interaktionspartner*innen oder Aufgaben meiden, um Ressourcen zu schonen.

4.4 Wohlbefinden von Juristen

Jurist*innen berichten ĂŒber erhöhte Belastungen, Stress und Burnout. Employer values beeinflussen direkt das Wohlbefinden (Krill et al., 2022).

4.5 Wahrnehmung religiöser Orden

Quantitative Forschung zu Jesuiten als spezifischem Meidungsobjekt ist kaum vorhanden. Historische und qualitative Befunde deuten auf ambivalente Wahrnehmungen hin, die zwischen Respekt, Faszination und Argwohn changieren.


5. Interpretation

Meidung lÀsst sich in drei Dimensionen fassen:

  1. Adaptive Schutzstrategie – Ressourcenökonomie.
  2. Moralisches Urteil – Abgrenzung von als „gefĂ€hrlich“ empfundenen Institutionen.
  3. Indikator strukturellen Bösen – kollektive und systematische Meidung verweist auf institutionelle Reformbedarfe.

6. Methodische VorschlÀge


7. Normative Debatte

Meidung darf nicht zur Delegitimierung von Personen fĂŒhren, sondern soll als Signal struktureller Defizite verstanden werden. Politisch erfordert dies Transparenz und Rechenschaftspflichten.


Referenzen (APA 7)

Krill, P. R., DeGeneffe, N., Ochocki, K., & Anker, J. J. (2022). People, professionals, and profit centers: The connection between lawyer well-being and employer values. Behavioral Sciences, 12(6), 177. https://doi.org/10.3390/bs12060177

Petrou, P., & Xanthopoulou, D. (2021). Interactive effects of approach and avoidance job crafting in explaining weekly variations in work performance and employability. Applied Psychology, 70(3), 1345–1359. https://doi.org/10.1111/apps.12277

Pfau, M., Mullen, L. J., Deidrich, T., & Garrow, K. (1995). Television viewing and public perceptions of attorneys. Human Communication Research, 21(3), 307–330. https://doi.org/10.1111/j.1468-2958.1995.tb00349.x

Schulte, C. (1988). Radikal böse: Die Karriere des Bösen von Kant bis Nietzsche (2. Aufl.). MĂŒnchen: Wilhelm Fink.

spiegel@chat.ogl.me. (2025, September 9). #Merz — "Manche machen einen besonders großen Bogen..." [Status update]. Social Selbstlernserver. https://social.selbstlernserver.de/notice/Ay1EyOnipksZfjuvh2

Eurofound. (2018). Societal change and trust in institutions (Report). Publications Office of the European Union. https://www.eurofound.europa.eu/system/files/2018-12/ef18036en.pdf

Bundesarchiv Koblenz. (2001). Brief eines Richters an seinen Ordensbruder, NL 2347/89. (Nicht öffentlich zugÀngliches Archivmaterial, Referenz offen gehalten.)